Moorleichen

Autor: Thomas Brock

Kategorie: Monographien

Verlag: Konrad Theiss

Schwierigkeitsgrad: Anfänger

erster Eindruck

Kompetent und gruselig.

 

Beschreibung

Moorleichen. Zeugen vergangener Jahrtausende“ von Thomas Brock ist die derzeit aktuellste Einführung in ein Themengebiet, das gleichermaßen schaurig wie spannend und aufschlussreich ist. Das Buch ist im August im Konrad Theiss Verlag erschienen und für 24,90 € im Handel erwerbbar.

Moorleichen faszinieren seit jeher Laien wie Gelehrte. Ihr Anblick: verzerrte Gesichter, der Körper mit der lederartigen Haut und den teilweise herausragenden Knochenstücken. All das bietet nicht nur reichhaltigen Anlass zum schaudern, sondern auch sehr viel Aufschluss und einen einmaligen Einblick in die Vergangenheit. Dabei eröffnen die halbverwesten Körper einen intimen Blick auf Individuen der Vorzeit. Während das Einzelschicksal uns bewegt und der Tote dennoch anonym bleibt, wird zugleich viel über vergangene Kleidungs- und Essgewohnheiten sowie einiges über den Alltag der Menschen preisgegeben.

Thomas Brock, seinerseits ein studierter Ur- und Frühgeschichtler und Journalist, legt eine reich bebilderte und aufschlussreiche Monographie über die aktuelle Funde und Erkenntnisse über Moorleichen vor. Neben älteren Moorleichen werden auch jüngere gezeigt, die erst nach dem Erscheinen von „Mumien aus dem Moor. Die vor- und frühgeschichtlichen Moorleichen aus Nordwesteuropa“ von Wijnand van der Sanden gemacht wurden. In seinem Buch wird das wissenschaftliche Potential, das in unseren Mooren in der Form der Mumien ruht, deutlich herausgearbeitet und für Laien verständlich erläutert. Man braucht kein anderes Buch zuvor über dieses Thema gelesen zu haben, um dieses verstehen zu können. Brock ist ein Mann "vom Fach" und er weiss, wovon er berichtet. Er geht das Thema nicht populärwissenschaftlich an, sondern weist auf die Erforschungsmethoden und den Informationsgehalt hin, der den Mumien zu entnehmen ist. Bekannte Thesen zur Deponierung von Moorleichen wie etwa die Opferthese werden an ausgewählten Fundplätzen vorgestellt und kritisch betrachtet. Hinzu kommen allerdings auch Erwähnungen neuer Deutungen wie der, dass Moorleichen an Grenzen ehemaliger Territorien niedergelegt wurden.

Inhaltlich bietet das reich illustrierte Werk auf seinen 144 Seiten 130 meist farbige Abbildungen von hoher Qualität, welche beispielsweise bei Miranda Greens Abhandlung über Moorleichen namens „Menschenopfer“ vergeblich gesucht wird. Neben einer Rekapitulation der Forschungsgeschichte zu den Mumien aus dem Moor, werden auch Formen (Nieder- und Hochmoore) und Wirkungsweisen von Mooren im Bezug auf die Konservierungseigenschaften von organischen Materialien sowie deren Entwicklung bis heute besprochen. Hoch auflösende Bilder und Grafiken runden die Texte ab und kleinere Exkurse, etwa über Moorleichen bereichern die Kapitel. Die Mumien werden in einzelnen, chronologisch geordneten Kapiteln (Steinzeit, Bronzezeit, Eisenzeit, Mittelalter und Neuzeit) vorgestellt. Im Schlusskapitel werden alte und neue Funde zusammengefasst betrachtet und nochmals Theorien über Todesursachen und Deponierungsarten besprochen. Dabei ist es positiv hervorzuheben, dass Brock, obwohl er an manchen Stellen fast populistisch wird, sich nicht auf die althergebrachte These, dass es sich um Opfer an die Götter handelt, aufhängt, sondern unterschiedlichen Spuren und Möglichkeiten nachgeht.

Die Mumien können durch ihre zum Teil sehr guten Erhaltungsumstände eine Bandbreite an Informationen über die Zeit, aus der sie stammten, geben. Mageninhalte zeigen Ernährungsweisen auf, Kleidungsstücke und Schmuckbestandteile geben einen kleinen bruchstückartigen Einblick in die Mode der Vergangenheit. Oftmals sind selbst die Gesichtszüge der Mumien noch erkennbar. Das Leben in einer längst vergangenen Zeit wird für einen kurzen Moment greifbar und es wird ein Licht in das Dunkel geworfen.

 

Fazit

Da die Moorleichen und Mumien im Vordergrund stehen, werden Prähistoriker in diesem Buch Abbildungen von den Beigaben der Toten vermissen: diese fehlen gänzlich. Es werden in der Regel auf den Abbildungen Moorleichen gezeigt, während dazugehörige Gegenstände und Beigaben in den Hintergrund treten.
Auch wenn die Kapitel nach Zeitabschnitten geordnet sind,  gibt es keine Tabellen oder ähnliches, auf denen die genaueren absoluten Daten wie etwa zum Alt-, Mittel- oder Jungneolithikum bzw. zur Früh-, Mittel- oder Spätbronzezeit usw. aufgelistet sind. Leitformen einzelner Zeitabschnitte weichen den Mumien. Es wird lediglich erwähnt, dass die Toten in diese oder jene Zeit datiert werden konnten, dazu kommen noch kleinere Erklärungen von Besonderheiten der jeweiligen ermittelten Zeit aber dies geschieht eher oberflächlich und nicht im Bezug auf Leitformen.
Nichtsdestotrotz: das Buch ist in vielerlei Hinsicht sehr empfehlenswert. Schon die Illustration lässt keine Wünsche offen, sie setzt sogar für kommende Autoren einen hohen Standard. Es ist ein leicht lesbarer Überblick über aktuelle Funde und neu gewonnene Erkenntnisse. Für Interessierte gibt es einen sehr großen und erschöpfenden Literaturnachweis zur weiteren Vertiefung. Was aber vermisst wird, ist eine Übersicht über Museen zu dem Thema wie man sie in Michel Lorblanchets „Höhlenmalerei“ finden kann.

Details

Umfang: 144 Seiten

ISBN: 978-3-8062-2205-0

Preis: 24,90€

Buch Kauflink: Moorleichen

Datum der Rezension: 13.09.2009

Rezensent: Jan

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