Roms vergessener Feldzug. Die Schlacht am Harzhorn

Herausgeber: Heike Pöppelmann, Korana Deppmeyer, Wolf-Dieter Steinmetz

Kategorie: Ausstellungskatalog

Verlag: Konrad Theiss Verlag

Schwierigkeitsgrad: Anfänger bis Fortgeschrittene

Erster Eindruck

Umfangreicher und reich bebilderter Band zu einem aufsehenerregenden Fundplatz.

Beschreibung

Der vorliegende Ausstellungskatalog zur niedersächsischen Landesausstellung 2013 „Roms vergessener Feldzug – Die Schlacht am Harzhorn“ im Braunschweigischen Landesmuseum stellt die erste umfangreichere Vorlage der vorläufigen Forschungsergebnisse  des Gefechtsfeld aus dem  dritten nachchristlichen Jahrhundert dar und setzt die hier geborgenen Militaria in ihren historischen Kontext.

Der Katalog ist in sechs größere Teile gegliedert, in denen alle Aspekte behandelt werden, die für ein umfassendes Verständnis der kultur-historischen Zusammenhänge dieses Fundplatzes wichtig sind. Jedem Artikel ist dabei eine kurze Zusammenfassung des Inhaltes vorangestellt, sodass hier die schnelle Suche nach bestimmten Themen erleichtert wird. Daran schließen sich ein dreiseitiger Glossar mit der kurzen Erklärung der in den Artikeln verwendeten Fachtermini sowie das Abkürzungs- und Abbildungsverzeichnis an. Zudem sind zwischen die einzelnen Artikel an vielen Stellen kleine einseitige Beschreibungen wichtiger Ausstellungsstücke (z. B. der Pionieraxt vom Kahlberg [S. 311]), in den Texten genannter Orte (z.B. Mogontiacum/Mainz [S. 102]) oder Texte zu anderen relevanten Themen (z.B. illegale Archäologie [S. 57]) auf mattgrauem Hintergrund eingeschoben.

 

Nach einem kurzen einleitenden Artikel Heike Pöppelmanns, der die Relevanz der Ausstellung sowohl für die Erforschung und das Verständnis der Geschichte als auch deren Bedeutung für die Moderne betont (S. 14-17). Sie geht darin zusammenfassend auf die Fundumstände sowie die darauf folgenden Arbeiten ein. Ferner betont sie die aufgrund der auch für die Wissenschaft unerwartet späten Datierung des Fundmaterials hohe Bedeutung für das Wissen um die römisch-germanische Geschichte. Besonders faszinierend sei hier, so die Autorin, auch die Tatsache, dass am Harzhorn einer der seltenen Fälle vorliegt, in denen Ereignisgeschichte dank des archäologischen Fundmaterials im wahrsten Sinne des Wortes „greifbar“ wird. Es folgt der erste Abschnitt unter der Schlagzeile „Archäologie des Krieges – Schlachtfelder im Fokus der Forschung“. Hier widmet sich Herfried Müller anhand schriftlich überlieferter Kämpfe der  forschungstheoretischen Definition des symmetrischen bzw. asymmetrischen Krieges. In diesem Kontext diskutiert er auch Nutzen, Auswirkung sowie Vor- und Nachteile beider Konfliktarten für die involvierten Parteien (S. 42-46). Daran anschließend folgt von Michael Meyer ein grundlegender Artikel zur Erforschung prähistorischer Schlachtfelder und Fundplätze, von denen Nachweisen gezielter Gewaltausübung bekannt geworden sind (S. 47-50). Als Fallbeispiele führt er die neolithischen Anlagen von Schletz-Asparn (Österreich), Crickley Hill (England) sowie das bronzezeitliche Schlachtfeld im Tollensetal (Deutschland) und die eisenzeitliche, befestigte Höhensiedlung von Smolenice-Molpír (Slowakei) an. Anhand dieser Fundplätze geht M. Meyer kurz und verständlich auf die Problematik der Auffindung, Erforschung und gesicherten Ansprache von Gefechtsfeldern ohne schriftliche Überlieferung ein. Das Hauptaugenmerk der Schlachtfeldarchäologie liegt, so der Autor, vor allem auf der Rekonstruktion des Kampfgeschehens. Die Erforschung prähistorischer Gefechtsfelder ermöglicht aber auch sozialarchäologische Aussagen über den Organisationsgrad und die Hierarchisierung der beteiligten Konfliktparteien.

Der folgende Artikel von Thomas Fischer und Günther Moosbauer widmet sich dann anhand von Grabungsbefunden der Provinzialrömischen Archäologie aus Spanien, Bayern, Westniedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Bulgarien republikanischen bis kaiserzeitlichen Schlachten für die es schriftliche Überlieferungen gibt (S. 51-56). Als die im deutschsprachigen Raum bekanntesten gelten dabei der mit den augustäischen Alpenfeldzügen (15 v.Chr.) in Verbindung gebrachte Fundplatz auf dem Döttenbichl bei Oberammergau[1] sowie die Grabungen in Kalkriese im Osnabrücker Land, die vor allem anhand des Münzspiegels mit der Varusschlacht (9 n.Chr.) in Verbindung gebracht werden.[2] Des Weiteren werden Lesefunde aus Andalusien genannt, die mit dem 2. Punischen Krieg sowie mit den Kämpfen zwischen C. Iulius Caesar und C. Pompeius Magnus in Verbindung gebracht werden. Darüber hinaus diskutieren die Autoren auch die mit den Bataveraufständen (69/70 n.Chr.)[3] assoziierten Zerstörungsschichten in Xanten und Krefeld-Gellep bevor sie schließlich die Militariafunde von Razgrad in Bulgarien vorstellen, die als Ort der 251 n.Chr. zwischen Römern und Goten ausgetragenen Schlacht von Abritus[4] interpretiert werden. Den Autoren gelingt es sehr eindrücklich, die Schwierigkeiten einer überzeugenden Lokalisierung von Schlachtfeldern aufzuzeigen, die in der römischen Geschichtsschreibung vielfach bezeugt sind.[5] Für den hier Beispielhaft genannten Zeitausschnitt von circa 500 Jahren sind lediglich acht Konflikte auch archäologischen nachweisbar.

Hieran anschließend lenken Michael Geschwinde und Petra Lönne den Fokus auf das Kernthema des Kataloges und geben neben den grundlegenden Informationen zur Topographie der Region auch spannende Informationen über die Geschichte der Auffindung und Lokalisierung des Fundplatzes. Dabei stellt sich heraus, dass die Entdeckungsgeschichte des  Fundplatzes an Harzhorn und Kahlberg in einigen Details an die Fundumstände der Himmelsscheibe von Nebra erinnern.[6] Auch am Harzhorn wurde der Initialfund, in diesem Fall der Hufschuh eines zum römischen Tross gehörenden Maultieres, unsachgemäß durch Sondengänger geborgen und wäre beinahe im Kunsthandel verschwunden (S. 60-61).

Dem datierenden Fundmaterial ist der folgende Artikel von Frank Berger, Michael Geschwinde, Michael Meyer und Günther Moosbauer gewidmet (S. 66-70). Die Datierung des Gefechtsfeldes stützt sich insbesondere auf eine römische Hülsenspiralfibel (S. 66, Abb. 1), den Endbeschlag einer römischen Schwertscheide (S. 67, Abb. 2), römische Münzen und das Stirnvisier eines römischen Legionärshelmes vom Typ Niederbieber (S. 67, Abb. 3). Des Weiteren wird im Zusammenhang mit den an Schaftresten eines römischen Lanzenschuhs durchgeführten 14C-Datierungen auf die Möglichkeiten, aber auch die vor allem in nachchristlicher Zeit auftretende Problematik dieser naturwissenschaftlichen Datierungsmethode eingegangen. So fällt in der abgebildeten Kalibrationskurve die auch mit der „combine“-Funktion noch sehr große Datierungsspanne aller Proben auf (S. 68, Abb. 5). Besonders positiv fallen in diesem Artikel die verständlichen Erläuterungen der diversen verwendeten Fachtermini auf, jedoch wäre im letzten Absatz (S. 70) bei der Behandlung der in Frage kommenden historischen Ereignisse ein kurzer Verweis auf die im Band befindlichen Beiträge Deppmayers (S. 87 ff. und S. 359 ff.) sinnvoll gewesen, in dem die Geschichte der Soldatenkaiser-Zeit dargestellt wird.

Der erste Teil des Kataloges endet mit einer Besprechung der Bewaffnung germanischer Kampfverbände in der Römischen Kaiserzeit. Dies gelingt M. Meyer und G. Moosbauer primär anhand der aus Norddeutschland und Skandinavien belegten Kriegsbeuteopfer (S. 71-75). Dabei wird vor allem auch auf die Problematik der Zuordnung und Erkennbarkeit germanischer Krieger im archäologischen Fundmaterial eingegangen. Die erschwerte Identifikation ist mitunter auf die vielfältigen Kontakte zwischen Römern und Germanen zurückzuführen, in deren Folge im Römischen Reich produzierte Waffen, vor allem Schwerter, auch über den Limes gelangten. Als zusätzliches Beispiel für die Schwierigkeiten einer klaren Unterscheidung wird gegen Ende des Artikels eine im römischen Stil aus Eisen gefertigte Gürtelgarnitur vorgestellt, die dazu führe, „dass eine Unterscheidung [von Römern und Germanen] nach dem Lehrbuch oft genug scheitert“ (S. 74-75).

 

Der folgende zweite Teil des Ausstellungskatalogs steht unter dem aus der Germania des Tacitus (Kap. 32, Absatz 7) entnommenen Slogan „So lange wird Germanien nun schon besiegt“. In diesem Abschnitt wird anhand schriftlicher und archäologischer Quellen auf die „wechselvolle Geschichte“ der römisch-germanischen Beziehungen innerhalb des zeitlichen Rahmens von etwa 0 bis 238 n. Chr. eingegangen.

Den ersten Beitrag liefern dazu unter dem Titel „Rom und die Germanen. Eine wechselvolle Geschichte bis zu den Germaneneinfällen 233 n. Chr.“ erneut M. Meyer und G. Moosbauer (S. 78-84). In diesem skizzieren die Autoren anhand archäologischer und epigraphischer Zeugnisse die Entwicklung der politischen und kulturellen Beziehungen Roms mit den Gruppen östlich des Rheins. Dabei werden die verwendeten Fachbegriffe, vor allem die in der Prähistorischen Archäologie für die lokale Kaiserzeit verwendeten Stufen H.-J. Eggers‘[7] gut durch kurze Anmerkungen verständlich gemacht (S. 80). Jedoch sind im Verlauf des Textes, vermutlich aufgrund der getrennten Abfassung der einzelnen Abschnitte, mehrfach starke zeitliche Sprünge zu bemerken (S. 78; S. 80).

Der folgende Artikel von Korana Deppmayers widmet sich dem 235 n. Chr. in Mogontiacum/Mainz durch die eigenen Truppen ermordeten Vorgänger des Maximinus Thrax, Severus Alexander (S. 87-94). In diesem stellt die Autorin kurz und prägnant das Leben des „letzte[n] severische[n] Kaiser[s]“ von dessen Ernennung im Jahr 222 bis zu seinem frühzeitigen Tod vor. Dabei geht sie auch auf die Schwierigkeiten in der Interpretation und Beurteilung antiker Schriftquellen (S. 87) sowie auf die bis heute nicht sicher geklärte Frage wo sich die Grabstätte des mit 25 Jahren ermordeten und seiner Mutter zu lokalisieren ist, ein (S. 91-94).

Wolfgang Leschhorn stellt nach einer kurzen Definition der politisch-ideologischen Grundlagen der römischen Außenpolitik (S. 95-96) deren grundlegenden Entwicklungslinien von Augustus bis Severus Alexander dar (S. 96-97). Dabei geht er auch auf die an jeden Kaiser durch die römische Öffentlichkeit gestellten Erwartungen ein (S. 98-99) und kontrastiert diese mit der Verteidigungspolitischen Situation an den Ostgrenzen des Reiches in der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts n. Chr. (S. 99-101). Die dort gegen Parther und Sassaniden nur mit mäßigem Erfolg geführten Kriege ließen, so Leschhorn, „die Ermordung des Severus Alexander in Mainz […] nur [als] die letzte Konsequenz der lange angestauten Unzufriedenheit des Heeres mit dem in militärischen Dingen unbedarften Kaiser“ erscheinen (S. 101) und führten schließlich zur Ausrufung des von Korana Deppmayer im folgenden Artikel näher vorgestellten Maximinus Thrax zum Kaiser (S. 103-109).

Dieser ist neben einigen allgemeinen Erläuterungen zur Zeit der Soldatenkaiser und der Rezeption der Herrschaft des Beschriebenen nach dessen Tod (S. 103-104) vor allem dem Werdegang und die Regierungszeit des vermutlich aus den Provinz Moesia inferior stammenden Generals gewidmet (S. 104-109). Dabei legt die Autorin ihr Augenmerk nicht ausschließlich auf seine Rolle als Feldherr sondern rückt auch die von ihm  in Auftrag gegebenen Bau- und Instandsetzungsvorhaben sowie die über Münzen und bildliche Darstellungen transportierte Propaganda seiner Politik in den Blickpunkt. Hierbei wird auch die Vorbildfunktion der plastischen Darstellungen des Maximinus Thrax für dessen Nachfolger auf dem Kaiserthron betont (S. 109).

Der folgende, sechste Beitrag dieses Abschnittes stammt von Martin Hose und behandelt den durch Herodian und die Historia Augusta überlieferten Feldzug des Maximinus Thrax in das Innere Germaniens (S. 111-115). In diesem wird neben der kurzen Zusammenfassung der Beschreibungen des ersten Soldatenkaisers in den genannten Schriften auch auf die Gründe für den kritischen neuzeitlichen Umgang mit den in diesen Quellen genannten Entfernungsangaben eingegangen (S. 111-112). Der Beitrag Hoses steht jedoch in der Auslegung der Schriften stellenweise im Widerspruch zu den durch Deppmayer getätigten Aussagen. So geht diese anhand der vermutlichen sozialen Herkunft der Ehefrau des Maximinus Thrax davon aus, dass dieser, im Gegensatz zu den Angaben Herodians auf die sich Hose stützt, nicht von niederem Stand gewesen ist (S. 105). Eine Diskussion die jedoch im Rahmen eines Ausstellungskataloges nicht in ihrer wissenschaftlichen Breite geführt werden kann und daher an dieser Stelle auch in diesem Widerspruch belassen worden ist.

Der Althistoriker und Numismatiker Reinhard Wolters widmet sich anhand des am Harzhorn geborgenen Münzmaterials und weiteren Vergleichsfunden der chronologischen Einordnung des Fundplatzes und der mit diesem in Verbindung gebrachten Ereignisse (S. 116-121). Dieser Artikel stellt somit die eigentliche wissenschaftliche Vorlage und Argumentation der bereits auf Seite 68 genannten Datierungen des Fundplatzes anhand des Münzspiegels dar. Wolters geht aufgrund „des Bildprogramms [davon aus], dass ein bedeutender Sieg über die Germanen nicht vor Herbst 236 n. Chr. erzielt wurde“ (S. 116). Er stützt sich dabei auf die insgesamt sechs unter Maximinus Thrax geprägten Emissionen und verteilt diese zwischen der Ausrufung des Kaisers im Jahr 235 bis zu dessen Tod im Bürgerkrieg 238 u.Z. Dabei sieht der Autor erst die spätere Serie der dritten Emission als Reaktion auf den Germanienfeldzug, da die frühe Serie anhand des Bildprogramms den Antritt als Konsul zu Jahresbeginn 236 n. Chr. thematisiere (S. 120). Wolters spricht im Laufe seiner Argumentation auch die Problematik der ohne konkrete Jahreszahlen geprägten und nur über das weitgehend standardisierte Bildprogramm zu datierenden römischen Münzen sowie das nach Meinung des Rezensenten sehr hypothetische Fundament der Münzchronologie an (S. 117).[8]

 

Der dritte Teil des Ausstellungskataloges ist unter dem Titel „Germania magna – die Welt jenseits des Limes“ dem Leben und Sterben der Germanen im 3. Jahrhundert n. Chr. gewidmet. Der erste Beitrag stammt dabei von Hans-Jörg Nüsse und behandelt nach einer kurzen Einleitung die den historischen Rahmen umreist, zunächst die am archäologischen Fundmaterial nachweisbaren Änderungen im sozialen Gefüge während der Römischen Kaiserzeit mit besonderem Fokus auf den durch das Thema der Ausstellung gesetzten zeitlichen Rahmen (S. 126-134). Der Autor weist dabei auf die vor allem in den materiell reich ausgestatteten Gräbern nachweisbaren Änderungen hin und verdeutlicht dies unter anderem an der deutlichen Zunahme von Edelmetallobjekten in besagten Bestattungen (S. 126-127). Zudem verschiebe sich im heutigen Deutschland der Schwerpunkt der sogenannten „Fürstengräber“ aus der besonders im 1. und beginnenden 2. Jahrhundert dominierenden Niederelberegion nach Mitteldeutschland (S. 127-129). Nüsse deutet diesen  Wandel als eine Änderung der innergermanischen Machtverhältnisse im 3. Jahrhundert und verweist dazu auf die in zum Beispiel Haarhausen (Thüringen) archäologisch nachweisbaren engeren Kontakte der Mittelelb-Saale-Region und des Thüringer Beckens zu den römischen Provinzen. An diesem Fundplatz wurde ein Töpfereizentrum ausgegraben, in dem Drehscheibenkeramik nach römischem Vorbild gefertigt worden ist,[9] was, so Nüsse auf eine „Nachahmung römischer Esssitten und Nahrungszubereitung“ hindeute (S. 129).[10] Ein weiteres Machtzentrum bestand ferner auf den dänischen Inseln, die scheinbar in regem Kontakt sowohl zum Römischen Reich als auch nach Mitteldeutschland standen (S. 129-130). Den zweiten Abschnitt dieses Beitrags bildet dann die Vorstellung von Siedlungs- und Wirtschaftsweise der Germanen. Hier geht H.-J. Nüsse sowohl auf den archäologisch nachvollziehbaren Wandel als auch die Kontinuitäten ein, indem er anhand diverser Fundplätze die Besiedlungsgeschichte  zwischen Limes und Elbe rekonstruiert (S. 130-133).

Die „germanische Besiedlung entlang des römischen Marschweges“ wird von Jens Fuhrmann und Wolf-Dieter Steinmetz im darauf folgenden Artikel nach einigen einleitenden methodischen Worten zur Abgrenzung des Arbeitsgebietes und den günstigsten Siedlungskammern im südlichen Niedersachsen in klassischer jahnkuhn’scher Methodik der siedlungsarchäologischen Forschung[11] anhand aller erschließbaren Quellen (Siedlungen, Gräberfelder, Depotfunde, mögliche Verkehrswege und Rohstoffquellen) ein Besiedlungsbild der betreffenden Region entworfen (S. 135-141). Die Veranschaulichung des gesagten wird dabei durch eine übersichtliche Karte gewährleistet (S. 137, Abb. 3).

Der dritte Artikel, verfasst von W.-D. Steinmetz, behandelt das „Leben und Sterben in Germanien“ (S. 142-147). Der Autor gliedert seinen Beitrag dabei in mehrere Teile, die die einzelnen Aspekte des Themas abdecken. Den Anfang machen dabei Ackerbau und Viehhaltung (S. 142-143), die als Lebensgrundlage der „einfachen“ germanischen Bevölkerung angesehen werden können. Steinmetz fokussiert sich dabei auf die Dominanz der Rinderhaltung sowie die unterschiedlichen angebauten Getreidesorten und zeichnet dabei zu recht ein Bild von starker Kontinuität. Des Weiteren werden Siedlungsweise und Hausbau thematisiert, die sich regional unterschiedlich gestalten.[12] Dabei viel dem Rezensenten eine offenbar starke Fokussierung der Recherchen des Autors auf das Gebiet westlich der Elbe auf, da er für die Einrichtung von Viehboxen innerhalb der Wohnstallhäuser generell eine dreischiffige Bauweise voraussetzt, was jedoch zum Beispiel im südlichen Brandenburg nicht unbedingt der Fall gewesen ist.[13] Es folgen weitere kurze und gut verständliche Ausführungen zu Rohstoffverarbeitung und Handwerk (S. 144-146), die sich stellenweise jedoch mit den Inhalten aus dem Beitrag von H.-J. Nüsse überschneiden. Den Abschluss bilden eine summarische Darstellung der Totenbehandlung und des Alltagslebens (S. 146-147), wobei jedoch die von Steinmetz postulierte gesellschaftliche Gliederung archäologisch und auch historisch nur schlecht zu belegen ist. Abschließend kann konstatiert werden, dass der Autor (dankenswerterweise) mit seinem Artikel bewusst den Mythos des durch Kampf und Krieg dominierten Germanenlebens dekonstruiert und ein sicher realistischeres Bild vom Dasein der Bevölkerung des Barbaricums bietet.

Der folgende Artikel Felix Bittmanns widmet sich der „Geographie und Umwelt in Südost-Niedersachsen im 3. Jh. n. Chr.“ (S. 149-154). Der Biologe Bittmann rekonstruiert in diesem anhand archäobotanischer Quellen die Umwelt des Harzhorns im fraglichen Zeitraum. Im Verlauf des Beitrags werden dabei sowohl die geologische und naturräumliche Gliederung des Gebiets als auch deren Vegetation dargestellt. Dabei erklärt der Autor auch die gängigen Methoden der Archäobotanik wie Pollen- und Großrestanalyse sehr verständlich, sodass man auch diesem Text ohne Hintergrundwissen gut folgen kann.

R. Wolters stellt im Anschluss unter dem Titel „Im Schatten von Adler und Rabe“ die unterschiedlichen Aspekte und Möglichkeiten des römisch-germanischen Kulturaustausches vor (S. 155-160). Das Hauptaugenmerk Wolters‘ liegt wegen der besseren schriftlichen Überlieferung auf den Gebieten an Rhein und Donau. Zudem geht er auf die wechselseitige Bedeutung von Schrift- und Sachquellen für ein umfassendes Geschichtsverständnis ein (S. 156). Als wichtigste Punkte für einen kulturellen Austausch in der Antike sieht er die in den Schriften am häufigsten erwähnten Aspekte Handel, diplomatische Kontakte, Kriegsdienst sowie Raub von Menschen und Gütern. Als Beispiele zieht er hier neben einigen in germanischen Gräbern gefundenen römischen Objekten (Emmersleben, Grab 2) auch provinzialrömische Stelen (S. 157, Abb. 2) und Münzprägungen sowie die bekannten Beutefunde von Neupotz (S. 159, Abb. 5) und Hagenbach heran.

Im Anschluss begibt sich der Leser dann mit Babette Ludowici „Auf der Spur des Luxus“ auf „die Suche nach den germanischen Eliten des 3. Jhds. n. Chr.“ (S. 162-166). In ihrem Artikel geht die Autorin vor allem auf die überlieferungsbedingt problematische Definition und Ansprache der sogenannten „Fürstengräber“ der Römischen Kaiserzeit jenseits des Limes ein. Als herausragende Beispiele führt sie das Anfang der 1990er Jahre in Sachsen-Anhalt geborgene Grab von Gommern an,[14] das als bis dato reichste Bestattung in einem mit „Fürstengräbern“ dicht gefüllten Gebiet liegt.[15] Dieses vergleicht sie mit den Bestattungen des Raumes zwischen Weser und Elbe – als Beispiel dient hier das Gräberfeld von Grethem (Ldkr. Soltau-Fallingbostel) -, die in jener Zeit, so Ludowici, aufgrund anderer Bestattungssitten den Anschein erwecken ärmer ausgestattet gewesen zu sein (S. 164-166). Nicht zu Unrecht geht sie daher davon aus, dass die Region des heutigen Niedersachsen auch in der jüngeren Kaiserzeit in ihrer Bedeutung nicht deutlich hinter Mitteldeutschland oder Skandinavien zurück stand.

In den folgenden beiden Artikeln beschäftig sich Andreas Rau mit der Bewaffnung (S. 172-179) sowie der „Größe und soziale[n] Zusammensetzung germanischer Kampfverbände“ (S. 167-171). Der eher theoretische Artikel zur sozialen Gliederung der Kampfverbände geht neben einigen dank historischer und archäologischer Quellen schätzbaren Truppenstärken vor allem auf die verschiedenen Aspekte der kaiserzeitlichen Sozialarchäologie im Bezug auf Heeresverbände ein (S. 168-171). Neben den in der Geschichtswissenschaft geäußerten Thesen wird hier vor allem auf das Opfermoor von Thorsberg in Schleswig-Holstein eingegangen. Anhand des dort geborgenen Fundgutes, das sich auch anhand des verwendeten Materials gliedern lässt, stellt Rau eine Gliederung germanischer Kriegergruppen nach Dienstgraden zur Diskussion, stellt dieser jedoch auch kritisch die Hypothese von einer weniger militärisch als vielmehr sozial bedingten Staffelung der Kriegerschaft gegenüber (S. 169). Als Abschluss des ersten Artikels stellt Rau zudem als Anknüpfung an das Thema der Ausstellung eine These zur politischen Stoßrichtung des Germanienfeldzuges des Maximinus Thrax auf (S. 171). Der Artikel zur germanischen Bewaffnung geht nach einer kurzen Vorstellung der wichtigsten Quellen zur Rekonstruktion dieses Aspekts (Gräber, Opfermoore, römische Bildquellen) (S. 172-174) vor allem auf die unterschiedlichen verwendeten Waffen sowie die sonstige Ausstattung ein (S. 174-179). Zu unterscheiden sind dabei in germanischen Werkstätten hergestellte Waffen wie eiserne Lanzen- und Speerspitzen, Pfeile, Langbögen und Rundschilde sowie zumeist aus dem Römischen Reich importierte Langschwerter (lat. Pl. spathae). Als weiteres, nicht genanntes Beispiel könne auch noch Lanzenspitzen aus organischen Materialien genannt werden.[16] Nach einigen Überlegungen zur Kampfesweise (S. 176-177) und zur sozialen Bedeutung bestimmter Waffen und Rüstungsbestandteile (S. 177-178) gibt Rau als Abschluss auch einen Ausblick auf weitere mögliche und teilweise auch nötige neue Fragestellungen zum Thema (S. 179).

Anhand der wenigen überlieferten römischen Schriftquellen mit konkreten Angaben und einigen archäologischen Befunden widmet sich Alexandra Pesch „Germaniens kriegerische[n] Götter[n]“ (S. 181-187). Sie beleuchtet dabei vor allem anhand der entsprechenden Stellen aus der Germania des Tacitus die unterschiedlichen, teilweise in stark veränderter Form bis heute nachwirkenden, Aspekte germanischer Kultpraxis. Die Darstellung des bekanntesten mitteldeutschen Opferplatzes der Kaiserzeit in Oberdorla (S. 183-185) wiederholt jedoch weitestgehend die auf Seite 161 bereits die von Christoph G. Schmidt verfasste Kurzdarstellung. Den Abschluss bildet ein Exkurs zur Bedeutung diverser Tiere (z.B. Eber) in der Mythologie der Germanen (S. 185-187).

 

Teil vier des Ausstellungskataloges (Rom und seine Gegner im 3. Jh. n. Chr.) widmet sich als umfassende Ein- und Überleitung zum Hauptartikel des Ausstellungskataloges der vielschichtigen Ausstattung und Logistik des römischen Militärs.

Den einleitenden Artikel über „das römische Wissen über Germanien“ verfasste R. Wolters. Dieser stellt gewissermaßen die verkürzte und aktualisierte Version eines bereits durch den Autor publizierten Taschenbuches dar.[17] Er erläutert dabei, grob gesagt, die römische Kenntnis zu den Gebieten östlich des Rheins als eine mit Caesar beginnende vierphasige Verbesserung des Wissens, die bis zum 2. Jahrhundert angehalten hat. Als weitere Stationen gelten darin die augustäisch-tiberische Zeit, die Berichte des Tacitus sowie die Arbeiten des Ptolemaios. Etwa ab den Markomannen-Kriegen wurde, so Wolters, die römische Sicht auf Germanien dann aufgrund der sich ändernden Situation im Inneren des Barbaricums zunehmend unsicherer und verschwommener (S. 196-197).

Die Beiträge Thomas Fischers befassen sich mit der Ausrüstung und Bewaffnung der römischen Infanterie (S. 198-206) und Kavallerie (S. 207; S. 228-234). Er geht dabei sowohl auf die standardisierte Strukturierung beider Kampfverbände und deren Ausrüstung als auch auf die Entwicklung derselben im Laufe der Kaiserzeit ein. Als Beispiele werden hier nun vermehrt die Funde römischer Militaria vom Harzhorn und Kahlberg herangezogen sowie durch die Abbildungen der im Text erwähnten Helm und Rüstungstypen ergänzt, was den Ausführungen des Autors zusätzliche Plastizität verleiht.

Nach einem Exkurs Ragnar Hunds zu den Ehrenbeinamen (altgriech. epitheton) der römischen Legionen, die diesen für besondere Leistungen im Kampf oder durch Treue zum Kaiser sowie auch für ihr Aushebungsgebiet verliehen worden sind (S. 208-216) folgt eine kurze Darstellung M. Meyers und G. Moosbauers zu den unterschiedlichen Kampfesweisen römischer und germanischer Krieger, die primär anhand der Wurf- und Hiebwaffen (S. 218-221) sowie der am Harzhorn geborgenen Geschossspitzen (S. 223-226) erfolgt.

Rainer Wiegels widmet sich den „Reiter[n] Roms an Germaniens Grenzen im frühen 3. Jh. n. Chr.“ (S. 235-241). Der Althistoriker geht dabei auf die unterschiedlichen, vor allem schriftlich und epigraphisch belegten Reiterformationen der römischen Armee sowie deren spezifischen Aufgaben während eines Feldzuges ein. Der Text verzichtet dabei weitgehend auf Abbildungen, jedoch findet sich auf Seite 240 ein Schema der im 3. Jahrhundert in der Germania inferior, der Germania superior und Rätien stationierten Legionen und Alen (Reitereinheiten), das den Text kurz visuell zusammenfasst (S. 240).

Den Torsionsgeschützen (Artillerie der Antike) widmet G. Moosbauer einen eigenen Beitrag (S. 242-248). Die besondere Behandlung dieser Waffengattung durch einen separaten Artikel lässt sich vor allem auf die reichhaltigen Funde entsprechender Geschossspitzen am Harzhorn zurückführen (vgl. dazu v.a. S. 319-347). Moosbauer geht daher nach einer Erläuterung zum konstruktiven Aufbau der sogenannten Skorpione (S. 242-243) vor allem auf die Entwicklung dieser Geschütze im Lauf der römischen Geschichte sowie auf deren über Reliefs (S. 247, Abb. 6/7) erschließbare Verwendungsmöglichkeiten ein.

Ferner wird von Christina Erkelenz (S. 249-255) sowie K. Deppmayer (S. 257-264) das Alltagsleben eines römischen Soldaten dargestellt. Besonderes Augenmerk legen die Autorinnen dabei auf die medizinische und logistische Versorgung der Truppen sowie auf „die Glaubenswelt des römischen Soldaten“ (S. 257).

Den Abschluss dieses Teils und die endgültige Überleitung zum eigentlichen „Harzhorn-Ereignis“ bildet ein weiterer Artikel M. Meyers und G. Moosbauers, der sich eingehend mit dem Weg zum Harzhorn befasst (S. 265-268). Die Autoren versuchen darin anhand der Flussläufe, des Reliefs und den durch die archäologische Forschung belegten Siedlungskammern eine mögliche Marschroute des Heeres des Maximinus Thrax zu rekonstruieren. Anhand der Verteilung des Fundstoffes an Harzhorn und Kahlberg wird davon ausgegangen, dass sich das römische Heer nordwärts, den Harz umgehend auf dem Rückweg Richtung Limes befand. Maximinus Thrax beschrieb mit seiner Streitmacht nach der anfänglichen Überquerung der Reichsgrenze, so der Forschungsstand, eine Kreisbewegung,[18] da die Versorgung eines mehrere tausend Personen umfassenden Truppenverbandes aus lokalen Ressourcen erfolgen musste und so ein zuvor begangenes Gebiet nicht ein zweites Mal aufgesucht werden sollte. Die Stoßrichtung wurde dabei nach Meyer und Moosbauer durch das Relief und die germanischen Siedlungskammern vorgegeben (S. 266-167).

 

Den eigentlichen Hauptteil des Kataloges, wie auch der Ausstellung, stellt die umfassende Vorstellung der geborgenen Objekte sowie die vorläufige Rekonstruktion des Kampfgeschehens dar.

Der erste, von M. Geschwinde, P. Lönne, M. Brangs und Th. Schwarz verfasste, Artikel dieses Abschnitts stellt dazu zunächst die bis 2013 geborgenen Militaria vor (S. 272-284). Dabei wird auch auf die theoretischen und praktischen Probleme bei der wissenschaftlichen Bearbeitung und Dokumentation eines Schlachtfeldes eingegangen (S. 272). Die Fundvorlage gliedert sich dabei in üblicher archäologischer Manier nach Objektgruppen, sodass im Laufe des Artikels die Angriffswaffen wie Speere, Lanzen und Pfeilspitzen (S. 273-275), die Geschosse der Torsionsgeschütze (S. 275-276), die Ausrüstung der Soldaten (S. 276-278; S. 283) sowie Werkzeuge wie Pionieräxte (lat. Plural dolabrae) und Ziehhaken (S. 278-280) vorgestellt werden. Ferner wird auch noch auf die diversen Tross- und Wagenteile eingegangen (S. 280-283). Die Vorlage ist zudem reich mit farbigen Abbildungen illustriert, sodass für jeden näher vorgestellten Fund ein entsprechendes Objekt zu sehen ist.

Es folgt die Vorlage der am Harzhorn geborgenen Münzen durch Frank Berger (S. 285-293). Zu nennen sind hier diverse unter Elagabal, Septimius Severus und Severus Alexander geprägte Denare sowie zwei unter Commodus und Severus Alexander geprägte Sesterzen (S. 291-293). Diese werden durch den Autor zuvor in ihren historischen Kontext gesetzt, um dann über Ausschlusskriterien genauer datiert werden zu können (S. 285-289). Berger geht dabei weitestgehend mit der am Anfang des Bandes bereits durch R. Wolters (S. 116-123) vorgeschlagene Datierung der Schlacht am Harzhorn d’acore.

Der Artikel „Das Harzhorn-Ereignis. Die Archäologie einer römisch-germanischen Konfrontation im 3. Jh. n. Chr.“, von einem aus sechs Autoren bestehenden Kollektiv verfasst, stellt dann die nach dem derzeitigen Forschungsstand wahrscheinlichste Rekonstruktion der Ereignisse dar (S. 294-348).

Die Seiten 294 bis 303 stellen dabei nach einer theoretischen Einleitung durch M. Geschwinde noch einmal die Methodik zur Erforschung eines Schlachtfeldes vor. Am Harzhorn wurde schwerpunktmäßig mit Metalldetektoren, Geophysik und sogenannten LIDAR-Laserscans sowie der Einmessung mit GIS-gestützten Geräten gearbeitet. Die am umfangreichsten eingesetzte Methode, die Prospektion mit Metallsonden, wird dabei ausführlich und gut verständlich dargestellt (S. 298-303). Im Folgenden wird dann auf die Ausgrabungsmethodik und alle mit dieser in Verbindung stehenden Aspekte wie Erhaltungsbedingungen und anthropogene Filter eingegangen (S. 303-310). Neben der Vorstellung der Methodik werden hier bereits auch erste Interpretationen des Befundbildes angesprochen. Die eigentliche Rekonstruktion wird getrennt nach den auf den Grabungen unternommenen räumlichen Untergliederungen (Hotspots, Sektoren, Grabungsschnitte) abgehandelt, die hier umfassend wiederzugeben den Rahmen sprengen würde. Die formulierten Thesen werden dabei anschaulich durch große farbige Kartierungen der einzelnen Areale und Situationen unterstützt, die das Verständnis des Textes noch weiter verbessern. Den Abschluss des Artikels bilden die Vorstellung noch offener Fragen sowie die historische Einordnung des „Harzhorn-Ereignisses“.

 

Der vorletzte große Abschnitt des Kataloges mit dem Titel Triumph und Verdammnis behandelt die Ereignisse bis zum Ende des 3. Jahrhunderts n. Chr.

Der erste Artikel dieses Teils, verfasst von M. Geschwinde und G. Moosbauer, ist unter der Überschrift Dis Manibus (dt. „den Totengeistern“) den römischen Gefallenen des Germanienfeldzugs des Maximinus Thrax gewidmet (S. 352-357). Die Autoren gehen dabei anhand der bekannten Grabsteine, die mit Hilfe ihrer Inschriften in die fragliche Zeit datiert werden können, auf die Problematik der korrekten Zuordnung dieser Objekte zu einem bestimmten historischen Ereignis ein. Genannt werden unter anderem die Grabsteine für Aurelius Vitalis, einen gefallenen Legionär der auch am Harzhorn nachweisbaren 4. Flavischen Legion sowie des in einem Krieg verschollenen Reiteroffiziers Biribam (S. 353-354). Beide Steine werden von Geschwinde und Moosbauer mit den Ereignissen am Harzhorn in Verbindung gebracht. Im Falle des ersten scheint diese Ansprache durchaus möglich, die Ableitung der Teilnahme des Biribam als Oberst der ala firma catafractaria, von denen nach Herodian Teile in Mainz stationiert waren, scheint dem Rezensenten jedoch etwas gewagt. Zumal auf dem Grabstein des Aurelius Vitalis von einer expeditio (Expedition/Feldzug) die Rede ist, während auf dem des Biribam von einem bellum (Krieg) geschrieben wird. Daher erscheint die Verknüpfung des zweiten Steines mit dem 236 n. Chr. stattgefundenen Feldzug lediglich auf Basis der Annahme, dass beide Worte synonym gehandhabt worden wären als sehr vage.

K. Deppmayer widmet sich im Anschluss dem Leben des Maximinus Thrax nach dem Jahr 236 bis zu dessen Tod am 10. Mai 238 (S. 359-364). Sie beschreibt darin dessen politische und fiskalische Aktivitäten, die aufgrund einer scheinbar übermäßigen Subvention des Heeres zu vermehrtem Unmut im römischen Staat geführt zu haben scheinen. In deren Folge wurden zu Beginn des Jahres 238 n. Chr. nach einem Aufstand in der Provinz Africa das sogenannten „Sechskaiserjahr“ eingeläutet, in dem Maximinus Thrax schließlich bei der Belagerung der Stadt Aquileia von den eigenen Truppen ermordet worden ist (S. 359-363). Der Abschluss des Kapitels ist anhand einiger umgearbeiteter Münzen und Medaillons mit Abbildungen des ermordeten Kaisers dessen damnatio memoriae, also der Auslöschung der offiziellen Erinnerung, gewidmet (S. 363-364).

Es folgt ein Artikel Horst Callies‘, der der „römische[n] Germanienpolitik nach der expeditio Germanica […]“ gewidmet ist (S. 368-374). Dieser geht darin vor allem auf die politische und wirtschaftliche Situation während des „unruhigen“ dritten Jahrhunderts ein. Als Hauptgründe nennt er insbesondere die starke Belastung der Reichverwaltung und der Grenzverteidigung durch die an mehreren Stellen zeitgleich zunehmende Bedrohung des römischen Territoriums in deren Folge das Gallische Sonderreich entstand und wieder unterging und die letztendlich zur Einführung der Tetrarchie unter Diocletian führten (S. 370-372). Callies liefert dabei eine kurze und dennoch prägnante Zusammenfassung der Ereignisse und deren Auswirkungen. Den Abschluss bildet eine kurze Darstellung der Tetrarchenzeit und der Herrschaft Constantins des Großen sowie deren politischen Auswirkungen (S. 373-374).

Der letzte Artikel dieses Teils von Bernd Päffgen ist der Vielfalt römisch-germanischer Kontakte an der Rhein-Limes-Donau-Grenze gewidmet (S. 377-386). Päffgen geht dabei am Beispiel des Militärs sowohl auf die Koexistenz und Integration germanischer Kämpfer in die römische Welt als auch die gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Provinzialen und marodierenden Germanengruppen ein. Ein besonderes Augenmerk liegt auf der archäologischen Nachweisbarkeit solcher Konflikte für das 3. Jahrhundert n. Chr. Genannt werden in diesem Kontext ein Münzhort aus Köln (S. 381) und die im Brunnen einer villa rustica in Regensburg-Harting versenkten und zuvor misshandelten Leichen einer provinzialrömischen Familie (S. 382-383). Ferner kann, so Päffgen, auch die Ummauerung römischer Städte (z.B. Aurelianische Stadtmauer in Rom) als Reaktion auf die unmittelbare Bedrohung gesehen werden (S. 383-385). Dies alles führte schließlich zu umfassenden Veränderungen im römischen Staatswesen und zur großflächigen Aufnahme integrationswilliger „Barbaren“, die bis zum Ende des Weströmischen Reiches durch Militär- und Verwaltungsdienst sowie durch Heirat in die höchsten Schichten der Gesellschaft aufsteigen konnten.[19]

 

Den Epilog des Kataloges bildet ein Beitrag von Alfred Walz, der der Partnerausstellung von „Roms vergessener Feldzug“ in der Kemenate der Burg Dankwarderode (Braunschweig) gewidmet ist. „Caesaren, Helden und Heilige. Der römische Soldat in neuzeitlichen Darstellungen“ befasst sich mit der Rezeption antiker Götter, Persönlichkeiten und Motive beginnend in der Renaissance bis in das 19. Jahrhundert und setzt die zuvor behandelten Themen gleichsam in einen aktuellen Kontext (S. 390-399).


[1] W. Zanier, Der römische Alpenfeldzug unter Tiberius und Drusus im Jahre 15 v.Chr. Übersicht zu den historischen und archäologischen Quellen. In: R. Aßkamp, T. Esch (Hrsg.), Imperium – Varus und seine Zeit. Kolloquium Münster, 28. und 29. April 2008. Veröffentlichungen der Altertumskommission für Westfalen Landschaftsverband Westfalen-Lippe 18 (Münster 2010), 73-96.

[2] Zusammenfassend zur Varusschlacht und zu Kalkriese: G. Moosbauer, Die Varusschlacht. Beck’sche Reihe 2457 (München 2009); G. Moosbauer, S. Wilbers-Rost, Kalkriese und die Varusschlacht. Multidisziplinäre Forschungen zu einem militärischen Konflikt.  In: Varusschlacht im Osnabrücker Land GmbH (Hrsg.), 2000. Jahre Varusschlacht. Konflikt. Ausstellungskatalog Kalkriese, 2009 (Stuttgart 2009), 56-67; A. Rost, Das Schlachtfeld von Kalkriese. In: Varusschlacht im Osnabrücker Land GmbH (Hrsg.), 2000. Jahre Varusschlacht. Konflikt. Ausstellungskatalog Kalkriese, 2009 (Stuttgart 2009), 68-76.

[3] Zur schriftlichen Überlieferung: H.-W. Goetz, K.-W. Welwei (Hrsg.), Altes Germanien. Auszüge aus den antiken Quellen über die Germanen und ihre Beziehungen zum Römischen Reich II. Quellen der Alten Geschichte bis zum Jahre 238 n.Chr. Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters. Freiherr-vom-Stein-Gedächtnisausgabe 1a (Darmstadt 2013), 170-261.

[4] Zur schriftlichen Überlieferung: H.-W. Goetz, S. Patzold, K.-W. Welwei (Hrsg.), Die Germanen in der Völkerwanderungszeit. Auszüge aus den antiken Quellen über die Germanen von der Mitte des 3. Jahrhunderts bis zum Jahre 453 n.Chr. I. Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters. Freiherr-vom-Stein-Gedächtnisausgabe 1b (Darmstadt 2013), 49; 53-55.

[5] Vgl. Fußnoten 3 und 4.

[6] H. Meller, Die Himmelscheibe von Nebra. In: Ders. (Hrsg.), Der geschmiedete Himmel. Die weite Welt im Herzen Europas vor 3600 Jahren. Ausstellungskatalog Halle a.d. Saale, 15. Oktober 2004 bis 24. April 2005 (Darmstadt 2004), 22-23.

[7] H.-J. Eggers, Zur absoluten Chronologie der Römischen Kaiserzeit im freien Germanien. Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums Mainz 2, 1955, 196-244.

[8] Die Überlieferung der antiken Münzen wird als „nahezu vollständig“ angesehen, da sich „von jedem in der Antike ausgeprägten Bildtyp […] zumindest eine Münze erhalten“ habe (S.117).

[9] Zum Forschungsstand: M. Hegewisch, Zur Drehscheibenkeramik im Westen der Germania Magna. Anfänge, Weiterentwicklung und Verbreitung. In: J. Bemmann et.al. (Hrsg.), Drehscheibentöpferei im Barbaricum. Technologietransfer und Professionalisierung eines Handwerks am Rande des Römischen Imperiums. Tagung Bonn, 11. bis 14. Juni 2009. Bonner Beiträge zur vor- und frühgeschichtlichen Archäologie 13 (Bonn 2011), 119-174.

[10] Kritisch zu dieser Lehrmeinung: J. Schuster, Lübsow, Älterkaiserzeitliche Fürstengräber im nördlichen Mitteleuropa. Bonner Beiträge zur vor- und frühgeschichtlichen Archäologie 12 (Bonn 2010), 268-282.

[11] H. Jahnkuhn, Einführung in die Siedlungsarchäologie (Berlin/New York 1977).

[12] Umfassend dazu zuletzt: H.-J. Nüsse, Haus, Gehöft und Siedlung im Norden und Westen der Germania magna (unveröffentlichte Habilitationsschrift, FU Berlin 2010).

[13] K.-U. Uschmann, Germanischer Siedlungsraum am Fuße der Hornoer Hochfläche. In: Ausgrabungen im Niederlausitzer Braunkohlerevier 1999. Arbeitsberichte zur Bodendenkmalpflege in Brandenburg 6 (Pritzen 2000), 171-108.

[14] M. Becker, Das Fürstengrab von Gommern. Veröffentlichungen des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt – Landesmuseum für Vorgeschichte 63 (Halle/Saale 2010).

[15] Vgl. dazu u.a. auch den Artikel von H.-J. Nüsse in diesem Ausstellungskatalog (S. 126-134).

[16] T. Schatte, Lanzenspitzen aus Knochen und Geweih der vorrömischen Eisenzeit und Römischen Kaiserzeit (unpublizierte M.A.-Arbeit FU Berlin 2011).

[17] R. Wolters, Die Römer in Germanien. Beck’sche Reihe 2136 (München 2006).

[18] Eine entsprechende Abbildung findet sich im Artikel von J. Fuhrmann und W.-D. Steinmetz auf Seite 136.

[19] Zur Bedeutung der römisch-germanischen Heiratspolitik siehe u.a.: T. Stickler, Römisch-barbarische Heiratsbeziehungen in der Völkerwanderungszeit. In: D. Quast (Hrsg.), Weibliche Eliten in der Frühgeschichte. Tagung Mainz, 13. bis 14. Juni 2008. RGZM-Tagungen 10 (Mainz 2011), 297-306. Allgemein zur Spätantike u.a.: H. Wolfram, Das Reich und die Germanen. Zwischen Antike und Mittelalter. Das Reich und die Deutschen 1.1 (Berlin 1994).

 

Fazit

Dem vielköpfigen Autorenkollektiv ist mit dem Ausstellungskatalog zur Niedersächsischen Landesausstellung in Braunschweig „Roms vergessener Feldzug. Die Schlacht am Harzhorn“ eine umfassende und interessante Vorlage zu einem nicht grundlos aufsehenerregenden archäologischen Fundplatz gelungen. Die Hauptartikel stellen dabei ohne Ausnahme den aktuellsten Forschungsstand verständlich dar und bieten dank der reichhaltigen Bebilderung auch ein umfangreiches Anschauungsmaterial für die im Text behandelten Sachverhalte. Die in regelmäßigen Abständen eingeschobenen und eine Seite umfassenden Darstellungen zu wichtigen Ausstellungsstücken oder anderen relevanten Themen lockern dabei die Texte noch weiter auf und tragen ferner zum besseren Verständnis der Ausführungen bei.

Die klare Strukturierung des Bandes in sechs Themenschwerpunkte sowie die überschaubare Länge der einzelnen Beiträge ermöglichen einen bequemen und leichten Umgang mit der Publikation und laden dazu ein, den Katalog nach Bedarf für die schnelle Informationssuche nach bestimmten Sachverhalten immer wieder zu benutzen.

Als einzige Schwäche sind hier die durch die vielen verschiedenen Autoren bedingten Wiederholungen bestimmter Sachverhalte im Laufe des Kataloges zu nennen, die den sehr positiven Gesamteindruck allerdings nicht stören.

Details

Umfang: 408 Seiten, 340 Abbildungen

ISBN: 978-3-8062-2822-9

Preis: 39,95€

Buch Kauflink: Roms vergessener Feldzug: Die Schlacht am Harzhorn

Datum der Rezension: 17.12.2013

Rezensent: Jens Greif

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