Die Korrespondenzanalyse

Die Eigenvektordarstellung dieser Korrespondenzanalyse zeigt eine Parabel. Diese ist ein Indiz dafür, dass durch die Ansprache der Daten ein Gradient erfasst wurde, Grafik © Jan Miera 2011.

Definition und Anwendungsmöglichkeiten

Während sich Cluster-Analysen mit der räumlichen Verteilung von archäologischem Fundmaterial befassen, können Seriationen eine relativ-chronologische Abfolge von unterschiedlichen Typenvertretern oder Befunden ermitteln. Unter einer Seriation versteht man die Anordnung von Typenvertretern in einer linearen Serie. Diese ist so organisiert, dass die Position jedes Typenvertreters innerhalb einer Matrix optimal den Grad der Ähnlichkeit zwischen ihm und den übrigen Typenvertretern in dieser Anordnung wiedergibt. Karl J. Narr hat daher Seriation als eine Art von Skalen-Analyse bezeichnet. Seriationen wurden erstmals in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durchgeführt, natürlich mit der Hand.

Seit den 1930er und 1940er wurde das Verfahren vermehrt in der deutschsprachigen Archäologie angewendet. Zur Durchführung der Seriation griff man auf Kombinationstabellen zurück, die in Streifen geschnitten und anschließend in einem iterativen, d.h. einem schrittweise sich wiederholendem Verfahren geordnet wurden – daher die Bezeichnung „Streifenmethode“. In die Zeilen wurden die Grabnummern und in die Spalten die Inventare der Gräber eingetragen. Im Anschluss daran wurden die Zeilen und Spalten solange umsortiert, bis schließlich eine von oben links nach unten rechts verlaufende Diagonale in der Kombinationstabelle zu erkennen war. In der Regel wurden die ältesten Stücke in der Tabelle oben links und die jüngsten unten rechts eingetragen. Dass eine chronologische Abfolge vorlag, muss über externe archäologische Hinweise bewiesen werden. Dass die Streifenmethode unter anderem als Petrie’sches Konzentrationsprinzip bzw. Petrifikation bekannt ist, geht auf ihren geistigen Vater Sir William Matthew Flinders Petrie zurück. Im angelsächsischen Sprachgebiet bezeichnet man einen Datensatz als petrifiable, wenn eine Diagonalisierung erreicht werden kann.

 


Während bei Seriationen die Daten manuell auswertet wurden, kommen bei Korrespondenzanalysen aus der multivariaten statistik Algorithmen zum Einsatz. D.h. die Auswertung der Daten erfolgt automatisch über Computerprogramme. Sie hängt nicht mehr vom mathematischen Können der ArchäologInnen ab, sondern von der Qualität des verwendeten Algorithmus. Aus mathematischer Sicht handelt es sich bei einer Korrespondenzanalyse um eine Singulärwertzerlegung von einer normierten Matrix mit nicht-negativen Werten bzw. einer Kontingenztabelle. Im Gegensatz zur Seriation können Korrespondenzanalysen die Daten aus den Kontingenztabellen räumlich in einem Koordinatensystem darstellen. Wegen der automatischen Ausführung der Analyse können umfangreiche Datenmengen ausgewertet werden. Große Gräberfelder mit beigabenreichen Grabinventaren, Grubenkomplexe aus Siedlungen oder Kreisgrabenanlagen anwenden eignen für Korrespondenzanalysen. Mit Korrespondenzanalysen und Seriationen lassen sich nicht nur das Präsens/Absenz eines Typs übereinen Zeitraum verfolgen, sondern auch dessen Häufigkeit. Je nachdem welche Daten benutzt werden, können mit der Analyse soziale Gruppen bzw. Hierarchien herausgearbeitet werden. 

Schema 1: Ungeordnete Daten

- J I C D E F G H B A
Fundkomplex 1 - - - - - - - - x x
Fundkomplex 3 - - x x x x - - - -
Fundkomplex 2 - - x x - - - - x X
Fundkomplex 8 - x - - - - - x - -
Fundkomplex 5 - - - - - x x - - -
Fundkomplex 7 - - - - - - x - - -
Fundkomplex 6 - - - - - - x x - -
Fundkomplex 4 - - - - x x x x - -
Fundkomplex 10 x x - - - - - - - -
Fundkomplex 9 x x - - - - - x - -

Schema 2: Geordnete Daten

- A B C D E F G H I J
Fundkomplex 1 X X - - - - - - - -
Fundkomplex 2 X x x x - - - - - -
Fundkomplex 3 - - x x x x - - - -
Fundkomplex 4 - - - - x x x x - -
Fundkomplex 5 - - - - - x x - - -
Fundkomplex 6 - - - - - - x x - -
Fundkomplex 7 - - - - - - x - - -
Fundkomplex 8 - - - - - - - x x -
Fundkomplex 9 - - - - - - - x x x
Fundkomplex 10 - - - - - - - - x x

Voraussetzungen für Korrespondenzanalysen

Seriationen und Korrespondenzanalysen setzen Bedingungen voraus, die zum Teil auf die theoretischen und methodischen Überlegungen von Prähistorikern des 19. Jahrhunderts zurückgehen. Eine Korrespondenzanalyse berücksichtigt ausschließlich Typenvertreter/Merkmale, die mindestens zweimal in den vorhandenen Daten vertreten sind und aus geschlossenen Fundkontexten stammen. Bis in die 1960er Jahre wurden diese beiden Kriterien nicht standardmäßig eingehalten. Oft wurden Einzelfunde in Seriationen einbezogen, obwohl diese erst in Vergesellschaftung mit einem zweiten Fund innerhalb der Kombinationstabelle mit denübrigen Daten fest verknüpft werden können. Wichtig ist, dass mindestens zwei der als chronologisch bedeutsam erachteten Merkmale auf einem Gefäß identifiziert werden können.

 

Neben Gräbern können auch Artefakte prinzipiell als geschlossene Einheiten für Korrespondenzanalysen herangezogen werden. Der Vorteil dieses Ansatzes besteht darin, dass wir nun auch Gefäße in die Untersuchung einbeziehen können, deren Fundkontexte unbekannt sind (warum auch immer). Wir wissen zum Beispiel, dass die Formen (d.h. das Verhältnis von Höhe zu Breite), die Verzierungsmotive, die Form von Umbrüchen in der Gefäßwand und das Vorhandensein bzw. die Art der Anbringung von Knubben eine chronologische Relevanz besitzen können. Sobald zwei oder mehr der als chronologisch bedeutsam erachteten Merkmale auf einem Gefäß identifizierbar sind und wir ausschließen können, dass diese in einer sekundären Nutzungsphase verändert wurden, dann ist ein Gefäß ein geschlossener Fund

 

Ferner darf der Datenumfang nicht gering sein. Zum Beispiel reichen 20 Gräber nicht aus, um für eine Kultur oder eine Region eine solide Aussage treffen zu können. Die verwendete Datenmenge muss für die Fragestellung repräsentativ sein.

Insbesondere von der Klassifizierung und Gliederung des Arbeitsmaterials ist das Ergebnis der Matrix bzw. der Eigenvektordarstellung abhängig. Artefakte müssen auf eine Art kategorisiert werden, die eine chronologische Relevanz besitzt. Für das Erkennen chronologisch relevanter Details gibt es allerdings kein Patentrezept. Ausschlaggebend sind die Erfahrung und das Gespür der AuswerterInnen. Dasselbe gilt für die Deutung der Inzidenzmatrix und Eigenvektordarstellung. Sobald in der Inzidenzmatrix eine dicht belegte Diagonale und in der Eigenvektordarstellung eine Parabel zu sehen ist, wurde durch die Ansprache der archäologischen Daten ein Gradient erfasst. Ob es sich hierbei um den Faktor "Zeit" handelt, muss anschließend geklärt werden. Denn Seriationen und Korrespondenzanalysen erstellen keine Chronologien. Sie dürfen chronologisch interpretiert werden, wenn dies archäologisch begründet werden kann. Genauso gilt, dass sämtliche Anomalien in den Darstellungen der Software archäologischer Natur sind und allein mit archäologischen Argumenten modifiziert werden dürfen. 

Erkennen und Aussortieren von Durchläufern

Dürchläufer können eine korsettartige Verengung in der erwünschten Parabel verursachen, Grafik © Jan Miera 2011.

So kann es passieren, dass durch die Kategorisierung der Daten sogenannte Durchläufer aufkommen. Es handelt sich bei diesem Phänomen um Daten ohne chronologische Relevanz, weil sie quasi in jedem eingegebenen Datensatz/Befund vorhanden sind. Wenn bei der Korrespondenzanalyse eines Gräberfeldes die jeweiligen Grabinventare in die Tabelle aufgenommen werden, müssen überflüssige Kategorien vermieden werden. Zum Bespiel sollte aus einer Scherbe keinen Typ gemacht werden. Dann hätte letztlich jedes Grab in seinem Inventar den Typ "Scherbe". Das Vorhandensein einer Scherbe hat so gut wie gar keine chronologische Aussagekraft. Wir wissen, dass vielmehr die Form und die Verzierung von Keramik chronologisch bedeutsam sind. Deswegen würde man nicht identifizierbare Scherben nicht in einer Korrespondenzanalyse berücksichtigen. Durchläufer verzerren die Diagonale in der Inzidenzmatrix und können damit auch die erwünschte Parabel in der Eigenvektordarstellung verformen. Es kann vorkommen, dass zwar eine Parabel zu erkennen ist, diese jedoch im unteren Bereich wie von einem Korsett zugeschnürt wird, oder dass Befunde sich im Inneren Bereich der Parabel befinden. Letzteres kommt zustande, wenn in einem Grab zwei Typen miteinander verknüpft werden, die sonst nicht gemeinsam niedergelegt wurden. Dies kann passieren, wenn sich in einem Grab Erbstücke befinden, die weitaus älter sind als die übrigen Beigaben.

Software für archäologische Korrespondenzanalysen

Multivariate Analysemethoden für archäologische Fragestellungen können heute mit unterschiedlichen Programmen durchgeführt werden, die zum Teil in Kollaboration von Informatikern und Archäologen programmiert wurden. Das Bonner Archaeological Software Package (BASP) von Ian Scollar, Palaeontological Statistics (PAST) von Øyvind Hammer und David A. T. Harper, WinSerion von Peter Stadler und der Microsoft Excel-Zusatz CAPCA vonTorsten Madsen gehören zu den gängig verwendeten freien Softwareprodukten.

Programme für Korrespondenzanalysen und mehr

Programm Link
WinBASP uni-koeln.de
CAPCA archaeoinfo.dk
Speziell zu R r-project.org

Verwendete Literatur

Autor Titel Seite
Michael Doneus Die Keramik der mittelneolithischen Kreisgrabenanlage Kamegg, Niederösterreich -
Manfred Karl Hermann Eggert / Siegfried Kurz / Hans-Peter Wotzka Historische Realität und archäologische Datierung: Zur Aussagekraft der Kombinationsstatistik. Prähistorische Zeitschrift 55, 1980 110-145.
William Matthew Flinders Petrie Methods & Aims in Archaeology(London 1904) -
Peter Ihm A Contribution to the history of Seriation in Archaeology. In: Claus Weihs – Wolfgang Gaul (Eds.), Classification - the Ubiquitous Challenge: Proceedings of the 28th Annual Conference of the Gesellschaft für Klassifikation e.V., University of Dortmund, ... University of Dortmund, March 9-11, 2004 (Berlin 2005) 307-316.
Karl Josef Narr Zeitmaße in der Urgeschichte. Rheinisch Westfälische Akademie der Wissenschaften, Geisteswissenschaften Vortrag G 224 (Opladen 1978) -
Hermann Müller-Karpe Das Urnenfeld von Kelheim (Kallmünz 1952) -
Hermann Müller-Karpe Münchener Urnenfelder (Lassleben 1957) -
Hermann Müller-Karpe Beiträge zur Chronologie der Urnenfelderzeit nördlich und südlich der Alpen (Berlin 1959) -
Johannes Müller / Andreas Zimmermann (Hrsg.) Archäologie und Korrespondenzanalyse: Beispiele, Fragen, Perspektiven 3-17
Michael O’Brien / R. Lee Lyman Seriation, Stratigraphy, and Index Fossils - The Backbone of Archaeological Dating(New York 2002) -
Philip Phillips / James A. Ford / James B. Griffin Archaeological Survey in the Lower Mississippi Alluvial Valley, 1940-47. Papers of the Peabody Museum of American Archaeology and Ethnology 25 (Cambridge 1951)  
John Howland Rowe Worsaee's Law and the use of grave lotsfor archaeological dating. American Antiquity 28/2, 1962 129-137.

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