Typologie

Oscar Montelius (1873-1927). Quelle: Wikimedia.commons

Oscar Montelius: Vater der archäologischen Typologie

Typologie mit Beilen
Eine Typologie mit Beilen im Sinne von Montelius.

Der schwedische Prähistoriker Gustaf Oscar Augustin Montelius (1843-1921) publizierte 1903 in deutscher Sprache ein Buch mit dem knappen Titel "Die Methode". Darin erläuterte er einen Forschungsansatz, mit dem Artefakte aufgrund ihrer Formgebung chronologisch eingeordnet und somit relative Chronologien erstellt werden konnten. Da es zu Lebzeiten von Montelius noch keine naturwissenschaftlichen Datierungsfahren gab, markierten seine Überlegungen einen Meilenstein in der archäologischen Forschung. Das von ihm vorgeschlagene Verfahren ist als "Die Typologische Methode" später in die Forschungsgeschichte eingegangen.

 

Die typologische Methode geht grundsätzlich davon aus, dass jeder Gegenstand gewissen Entwicklungsgesetzen unterworfen ist und sich deshalb mit der Zeit immer wieder verändert. Montelius schloss folglich von vornherein aus, dass Menschen archaische (ältere) Formen von Artefakten irgendwann erneut benutzen würden. Das Schaffen von neuen Formen durch den Menschen ist demnach nicht seiner Phantasie, sondern naturähnlichen Gesetzen unterlegen. Zu diesen natürlichen Entwicklungsrichtlinien gehört nach Montelius beispielsweise das immerwährende Streben nach erneuter Verbesserung, solange bis ein Artefakt sein Optimum, d. h. seinen Idealzustand erreicht. Oscar Montelius hebt im Zuge seiner Ausführungen immer wieder hervor, dass er bei der Ausarbeitung der typologischen Methode vom Darwinismus, also von Charles Darwins Evolutionstheorie inspiriert wurde. Mit der Hilfe der typologischen Methoden sollen die einzelnen Entwicklungsstadien eines Gegenstandes in ihre chronologisch richtige Reihenfolge gebracht werden.

Diese Gesetzmäßigkeit bei der Fortentwicklung von Gegenständen zeigt er anhand von Eisenbahnwagen auf. In ihrem ersten Entwicklungsstadium seien diese noch den vorherigen Postkutschen sehr ähnlich. Erkennen könne man dies an bestimmten Gestaltungsmerkmalen, die es auch bei Postkutschen gab. Anhand dieser Merkmale könne man folglich sehen, dass Eisenbahnwagen chronologisch jünger sind als die Postkutschen. Montelius ging davon aus, dass prähistorische Artefakte auch typologisch auf ihre Vorläufer verweisen würden. Menschen hätten damals genauso gehandelt wie wir heute.  

 

Ein Beispiel dafür ist die Entwicklung von Bronzebeilen. Montelius unterscheidet hier fünf unterschiedliche Entwicklungsstufen. In der ersten und damit ältesten Entwicklungsstufe sind die Beile Flach (daher der Name Flachbeile). Mit diesen Flachbeilen arbeiteten bronzezeitliche Mensche zunächst einige zeit, bis es ihnen zu lästig wurde, dass diese wegen ihrer Form nicht ausreichend fest genug geschäftet werden konnten. Deshalb entwickelten sie eine neue Form von Beilen, nämlich die so genannten Randleistenbeile. Diese zeichneten sich dadurch aus, dass sie an den Seiten Randwülste besaßen, die ein stabileres Schäften garantierten. Die Beile wackelten und rutschen nicht mehr so häufig in ihrer Schäftung und ermöglichten ein angenehmeres Arbeiten. Allerdings war auch diese Lösung nicht endgültig. Die „Arbeiter“ stellten bald fest, dass das Beil mit jedem weiteren Schlag tiefer in die Schäftung rutschte und in absehbarer Zeit diese aufspaltete. Das war ärgerlich und musste irgendwie umgangen werden. Die Antwort auf dieses Problem war die Anbringung eines Steges zwischen den Randwülsten, wodurch das so genannte Absatzbeil entstand. Jetzt wackelte das Beil nicht mehr in der Schäftung und rutschte auch nicht mehr nach oben mit jedem neuen Schlag. Damit war die Entwicklung des Beils jedoch immer noch nicht an ihrem Höhepunkt angelangt. In der finalen Stufe brachte man an die Beile eine Tülle mit einer Öse an, welche eine optimale Schlagfestigkeit mit sich brachte. Die Form des Tüllenbeils wurde mit der Zeit noch etwas nachgebessert, indem das Tüllenbeil kleiner und dessen Schneide ein wenig breiter wurde.

 

Heutzutage sollte man mit diesem ursprünglichen Gedanken von Montelius keine typologischen Reihen mehr aufstellen. Dies hat mehrere Gründe. Zum einen, weil sowohl antiquarische/nostalgische als auch moderne Gegenstände ein und desselben Typs im Umlauf sind. Zum anderen werden heute auch noch absichtlich alte Formen wieder aufgegriffen, produziert und neu in Umlauf gebracht. Man könnte zwar typologische Reihen im Sinne von Oscar Montelius erstellen aber es würde dennoch fragwürdig bleiben, in wie fern diese typologischen Reihen mit der absoluten Chronologie in Verbindung gebracht werden können. Montelius würde beispielsweise davon ausgehen, dass Schlaghosen nur einmal in Mode kommen und danach nie wieder. Wenn wir Schlaghosen mit der typologischen Methode datieren wollten, hätten wir ein Problem, weil sie kurzzeitig in den 1990er Jahren wieder in Mode waren. Weil die typologische Methode aber jeder Mode nur einen Moment größtmöglicher Beliebtheit zugesteht, würden wir die Schlaghosen der 1990er Jahre entweder in die 1960er und 1970er Jahre datieren bzw. andersherum. Und das entspräche dann eben nicht der Realität.

Für die Stein-, Kupfer-, Bronze- und Eisenzeit gilt der typologische Gedanke aber durchaus unter einigen Aspekten. Typologische Reihen lassen sich sehr gut an Keramikformen und Mustern, Beilen, Fibeln, Nadeln, Schwertern und auch an Hausformen aufzeigen. So weisen Häuser der älteren Bandkeramik im Inneren eine markante Y-Pfostenstellung auf, die es später ab der jüngeren Bandkeramik nicht mehr gibt.

Stützen der Typologischen Methode: Geschlossene Funde

Für eine korrekte typologische Reihenfolge sind mehrere Voraussetzungen notwendig. Zum einen braucht man eine eindeutige Typendefinition. Desweiteren sind mehrere parallel (widerspruchsfrei) verlaufende Typenserien wichtig. Schließlich müssen nach Montelius geschlossene Funde sowie typologische Rudimente (funktionslose Details) zur Bestätigung der Entwicklungsrichtung herangezogen werden. Wenn diese Voraussetzungen nicht gegeben sind, kann keine typologische Reihenfolge aufgestellt werden, die jeder Prüfung und Kritik standhalten könnte.

Ein geschlossener Fund liegt dann vor, wenn man alle vorliegenden Artefakte als gleichzeitig niedergelegt betrachten kann und diese seid ihres Unter-die-Erde-kommens nicht mehr „gestört“ (berührt, bewegt) wurden. Gräber und Horte zählen potentiell zu geschlossenen Funden. Man sollte jedoch in jedem Einzelfall prüfen, ob wirklich ein geschlossener Fund vorliegt. Eine derartige Überprüfung kann durch Beobachtungen der Stratigraphie durchgeführt werden. Wenn eine gestörte Stratigraphie vorliegt, wurde der entsprechende Fund nach seiner Niederlegung noch einmal freigelegt. Dann kann man nicht mehr von einem geschlossenen Fund sprechen.

Ein geschlossener Fund kann aber nur Aufschluss darüber geben, dass die Funde gleichzeitig niedergelegt wurden. Er gibt keine Auskunft darüber, ob diese auch gleichzeitig in Gebrauch waren oder zur selben Zeit hergestellt wurden. Dies kann nicht anhand eines geschlossenen Fundes erschlossen werden, sondern nur durch die Beobachtung weiterer geschlossenen Funde und der darin befindlichen Fundvergesellschaftungen (Fundkombinationen). Nach dem Prinzip der großen Zahl kann gesagt werden, dass die Wahrscheinlichkeit für die Gleichzeitigkeit (und damit gleichzeitige Nutzung) zweier Objekte mit der Anzahl ihres gemeinsamen Auftretens in geschlossenen Funden steigt.

Typologische Serien

Z.B. wurden im Childerich-Grab Münzen aus mehr als 5 unterschiedlichen Jahrhunderten gefunden, die zum Zeitpunkt ihrer Niederlegung aufgrund ihrer Veraltung garantiert nicht mehr im Gebrauch gewesen waren, sondern wegen ihres Wertes solange aufgehoben wurden. 

Man unterscheidet zwischen empfindlichen und weniger empfindlichen Serien, die sich unterschiedlich rasant entwickeln. Empfindliche Typenserien entwickeln sich verhältnismäßig schnell im Gegensatz zu weniger empfindlichen Serien. Besondere Beachtung sollte den typologischen Rudimenten geschenkt werden, da diese nie am Anfang einer typologischen Serie stehen können, sondern erst im Lauf der Zeit "eingeführt" wurden.

Kritik an der typologischen Methode

Heute weiss man, dass die Typologie von Oscar Montelius ein paar Ecken und Kanten hat, derer man sich bewusst sein sollte. Wir geben an dieser Stelle einen kleinen Einblick in die Kritik, die man an der Typologie von Montelius üben kann. Wer sich eingehender hiermit beschäftigen möchte, sollte unser Literaturzitat von M. K. H. Eggert beachten.

 

Der Typologie liegt der darwinistische Evolutionismus zu Grunde - was Montelius auch selbst schreibt. Verlässliche Typologien sollte man jedoch ohne diesen Evolutionismus erstellen. Außerdem verwendet er die Gräberinventare nur zur Bestätigung seiner typologischen Hypothesen, wenn es ihm danach beliebt. Allerdings kann man allein auf der Basis der Grabinventare Typologien erstellen, die der Wirklichkeit näher kommen, gerade weil nach einer kürzeren Betrachtung der Grabinventare auffällt, dass Typologien nicht linear-evolutionistisch abgelaufen sind.

 

Er braucht den Evolutionismus im Prinzip von Anfang an gar nicht, das hatten ihm auch damals schon Zeitgenossen wie Sophus Müller gesagt. Die Typologien von Montelius beachten in keiner Weise das Wiederaufgreifen alter (archaischer) Formen. Für ihn stirbt jeder Typ sofort aus, wenn es einen typologisch weiter-entwickelteren, also "besseren" gibt. Wenn er sich jedoch noch genauer mit Grabinventaren beschäftigt hätte, wäre ihm aufgefallen, dass typologisch "alte" Typen noch über längere Zeit weiter hergestellt und parallel mit neueren Typen in Verwendung gewesen sind.

 

Oscar Montelius geht davon aus, dass alles einer kontinuierlichen Weiterentwicklung unterworfen sei. Er berücksichtigt nicht, dass typologische ältere und damit im evolutionistischen Sinn "schlechtere" Typen noch längere Zeit weiterverwendet und produziert werden, auch wenn es bereits typologisch neuere Formen gibt. Er verweigert sich damit dem Gedanken der Gleichzeitigkeit typologisch verschiedener Formen, d.h. dass sich für ihn Typologien an jedem Ort gleichzeitig in gleicher Weise entwickeln.

Verwendete Literatur

Autor Titel Seite
H. J. Eggers Einführung in die Vorgeschichte 88-105
M. K. H. Eggert Prähistorische Archäologie 186-194
M. Trachsel Ur- und Frühgeschichte 25,39f.
M. K. H. Eggert / S. Samida Ur- und Frühgeschichtliche Archäologie. UTB basics 31f.

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