"Early celtic art"

Die frühe keltische Kunst mit ihren vier Stilen (früher Stil, Waldalgesheim-Stil, Plastischer Stil, Schwert-Stil) wurde 1944 von Paul Jacobsthal für den europäischen Kontinent definiert. Der Name seines Koautors Eduard Neuffer musste aus politischen Gründen anonym bleiben. Jacobsthal und Neuffer unterteilten das von ihnen untersuchte Material nach kunsthistorischen Gesichtspunkten und ordneten es über Beifunde relativ chronologisch den einzelnen von Paul Reinecke definierten Stufen der Latènezeit zu und fügte, wo Importe aus dem mediterranen Raum es ermöglichten, auch absolute Datierungen hinzu.

 

Ursprünglich dachte Jacobsthal, dass diese Stile aufeinander folgen und nicht zeitgleich existiert haben. Mittlerweile konnte aber festgestellt werden, dass auch die Stile der frühen keltischen Kunst, wie fast alle Systematisierungen in der Prähistorie, Überlappungen aufweisen. Eine Ausnahme bilden der Plastische Stil und der Schwert-Stil, die ungefähr zeitgleich in Mode waren. (J. Greif)

Der frühe Stil

Relativ chronologisch datiert der Frühe Stil in die Stufe Lt A, absolut entspricht dies ungefähr dem späten 5. und 4. Jahrhundert v. Chr. Jacobsthal konnte für diesen Stil drei Untergruppen herausarbeiten: 1.) der Hallstatt-Stil geht dem eigentlichen Frühen Stil voraus und wird, wie der Name schon sagt, in die späte Hallstattzeit (Ha D) datiert; 2.) der klassische Stil, der wahrscheinlich griechische und etruskische Motive imitierte, und 3.) der orientalisierende Stil, der sich vor allem durch Tierdarstellungen auszeichnet.

 

Besonders charakteristische für den Frühen Stil sind Tier- und Gesichtsdarstellungen sowie florale Motive, die mithilfe der Zirkelornamentik erstellt worden sind.

 

Die Bedeutung der dargestellten Gesichter entzieht sich unserer Kenntnis. Sie könnten sowohl Götter als auch Dämonen darstellen, da einige Objekte, so zum Beispiel die Deckelfigur der Kanne aus Reinheim oder die Maskenfibel aus Parsberg, deutlich erkennbar Mensch-Tier-Mischwesen zeigen. Diese Gesichter sind nach Jacobsthal zum größten Teil aufsichtig und eventuell entstehende Profile, wie zum Beispiel bei Maskenfibeln, ungewollt. Die Gesichtsphysiognomie ist meist fratzenhaft und stellt häufig bärtige Männer mit großen runden Augen dar. Es gibt jedoch auch bartlose Gesichter, wobei nicht gesagt werden kann, ob es sich hierbei um einen Mann oder eine Frau handelt. Die Tierdarstellungen auf latènezeitlichen Objekten weisen auf Kontakte sowohl in die griechische Geometrik als auch in den skythischen Kulturkreis.

 

Florale Motive wurden, wie bereits erwähnt, mithilfe von Zirkeln zunächst auf die Metallobjekte aufgezeichnet und danach ausgeschnitten beziehungsweise eingraviert. Die häufigsten Motive sind die Palmette und die Lotusblüte, die die keltischen Künstler von importierten Gefäßen kopierten und möglicherweise unfreiwillig abänderten. Die Art der Darstellung der Pflanzenmotive auf keltischem Fundgut deutet darauf hin, dass die Einheimischen die mediterranen Originale anders wahrgenommen haben als die Griechen und Etrusker. (J. Greif/ J. Ahlrichs)

Der Waldalgesheimstil

Der Waldalgesheim-Stil ist der einzige Stil der Early Celtic Art, der absolut datiert werden kann. Dieses ermöglicht der Fund eines kampanischen Eimers im namengebenden Frauengrab von Waldalgesheim. Relativ chronologisch entspricht dies der Stufe Lt B1.

 

Dieser Stil entwickelte sich mit der Ausbreitung der Latène-Kultur Richtung Italien und den griechischen Kolonien an der südlichen Mittelmeerküste. Er zeichnet sich vor allem durch einen Rückgang der Menschen- und Tierdarstellungen sowie der im Frühen Stil streng eingehaltenen Symmetrie aus. Nun herrschen fließende Muster, vor allem Rankenmotive, vor, die sich an den Objekten entlang ziehen. Ferner kann ein Rückgang der eurasischen Einflüsse und geometrischen Muster beobachtet werden. Auffällig ist, dass viele in Norditalien gefundenen Helme (z.B. Canossa) im Waldalgesheim-Stil verziert sind. Seltene Gesichtsdarstellungen werden fast unauffällig in die Rankenmuster eingeflochten.

 

Die herausragendsten Objekte dieses Kunststiles sind die Armringe und der Halsring aus dem oben bereits genannten Grab, das mithilfe einer italischen Situla in das späte 4. Jahrhundert v. Chr. datiert werden kann.

Auffällig ist auch die Verzierung von Keramikgefäßen mit Rankenmotiven im Marne-Gebiet, die höchstwahrscheinlich Metallobjekte imitieren sollen. 

(J.Greif)

Der plastische Stil

Der in Lt B2 am stärksten auftretende Plastische Stil stellt eine Weiterentwicklung des Waldalgesheimstils dar. Die Muster sind nun dreidimensionaler ausgestaltet und es werden auch wieder vermehrt Gesichter in die Rankenmotive eingeflochten, was Paul Jacobsthal dazu veranlasste, diesen Stil in Anlehnung an die in Alice im Wunderland auftauchende Grinsekatze (engl. Cheshire-cat) als „Cheshire-Style“ zu bezeichnen. Typisch für diesen Stil sind sehr plastische Gesichter und Köpfe mit stark hervortretenden Augen, die jedoch keinen Mund haben. (J. Greif)

Der Schwertstil

Der Schwert-Stil zeichnet sich durch verschlungene Muster auf den Mundblechen von Schwertscheiden aus. Dieser Stil ist erstmals im 4. Jahrhundert v. Chr. in Ungarn nachweisbar und beschränkt sich mit einigen Fundplätzen in der Schweiz (u. A. La-Tène) als Ausnahme auf diesem Gebiet. Die Muster des Stils können sowohl vegetabil sein als auch stilisierte Drachenpaare darstellen.

Auffällig ist, dass mit dem Schwert-Stil verzierte Objekte zumeist in Gewässern deponiert worden sind, so weisen auch einige der im Neuchâteler See bei La-Tène versenkte Schwerter Verzierungen des Stils auf. (J. Greif)

Verwendete Literatur

Autor Titel  
Sally Crawford / Katharina Ulmschneider Paul Jacobsthal's Early Celtic Art, his anonymous co-author, and National Socialism: new evidence from the archives. ANTIQUITY 85, 2011 129–141
Paul Jacobsthal (und Eduard Neuffer) Early Celtic Art (Oxford Reprints)  
L. Laing, J. Laing Art of the Celts: From 700 B.C. to the Celtic Revival (World of Art)  
Felix Muller Art of the Celts  
Derek William Harding The Archaeology of Celtic Art  

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