Das Neolithikum

Zum Begriff

Der Terminus Neolithikum geht auf den englischen Prähistoriker John Lubbock zurück. Er machte 1865 den Unterschied zwischen dem Paläolithikum und dem Neolithikum. Die Altsteinzeit charakterisierte er als Epoche des geschlagenen Steins, in der der Mensch außerdem noch kein bäuerliches Leben führte. Das Neolithikum dagegen zeichnete sich durch das genaue Gegenteil aus: geschliffene Steine und bäuerliches Leben. Der Begriff setzt sich aus den griechischen Wörtern neos= neu/jung und lithos= Stein zusammen: ergo Jungsteinzeit. 

Landwirtschaft und Haushalt

Szegvar-Tuzkövez
Wie bedeutsam der Übergang zur ackerbäuerlichen Lebensweise für den Menschen war, zeigt vielleicht der so genannte "Sichelgott". Die Tonfigur wurde 1956 bei Szegvár-Tüzköves in Ungarn gefunden. Die thronende Person hat eine Sichel über ihre rechte Schulter gelegt. Zeichnung © Jan Miera 2014.

Die Domestikation von Pflanzen und Tieren ist ein Marker für das Neolithikum. Durch die sesshafte Lebensweise war man auf landwirtschaftliche Produkte angewiesen. Die Felder mussten bewirtschaftet und die Tiere gepflegt werden. Beides nahm Zeit in Anspruch, sicherte aber auch das Leben und Überleben der jungsteinzeitlichen Bauern. Zu den Haustieren - sie wurden nicht wortwörtlich im Haus gehalten - gehörten Rinder, Schafe, Ziegen und Schweine. 

 

Die neue Lebensweise erforderte eine Vielzahl neuer Artefakte, um den Alltag zu meistern. Zur Getreideernte benötigte man Sicheln. Nach der Ernte wollte man einen Teil des Getreides zu Nahrung verarbeiten. Dazu waren Mahlsteine notwendig. Mit ihnen wurden die Körner zerrieben, um anschließend einen Brei oder Brot herzustellen. Was man nicht sofort, sondern erst in einigen Tagen essen wollte, musste gelagert werden. Hierzu eignete sich beispielsweise Keramik. Einen Teil der Ernte brauchte man für das kommende Jahr, um ihn auszusäen. Kleine Gruben wurden ausgehoben und mit Getreide gefüllt. Die Körner am Rande der Vorratsgruben keimten nach kurzer Zeit. Dabei verbrauchten sie den restlichen Luftanteil und schlossen die übrigen Körner sicher nach Außen ab. Kleinere Nager blieben dadurch fern und die nächste Aussaat war gesichert.  

 

Die Verarbeitung von Sekundärprodukten wie Wolle oder Milch bereichterte ebenfalls das Spektrum an Artefakten. Spinnwirtel und Webgewichte sind Hinterlassenschaften aus der Textilherstellung. Aus Milch konnte man unter anderem auch Käse und Jogurt herstellen. Siebartige Gefäße weisen darauf hin.

Holzverarbeitung

Zum Errichten von Häusern musste Holz verarbeitet werden. Dazu brauchte man Beile, Äxte, Schuhleistenkeile und Sägen. Alle diese Werkzeuge wurden aus Silex bzw. Stein hergestellt. Um eine Axt herzustellen, muss die Bohrung eines geeigneten Steins durchgeführt werden. Dies wiederum erfordert entsprechende Werkzeuge, ebenso das Schleifen. 

 

Einen sehr guten Einblick in die Holzverarbeitung bieten bandkeramische Brunnenfunde. Die unteren, tief im Boden befindlichen Schächte der Brunnen haben sich in manchen Fällen erhalten. Ein feuchtes Milieu begünstigt die Erhaltung von organischem Material wie Holz oder kleinen Knochen etc. Dieses kann anschließend auf Bearbeitungsspuren untersucht werden. Anhand der vorhandenen Brunnenfunde können neolithische Handwerkstechniken und das "know-how" dieser Zeit zumindest annäherungsweise eingeschätzt werden. Die aus der Erforschung der Brunnenkonstruktionen gewonnen Erkenntnisse kann man zur Rekonstruktion von Häusern heranziehen.

 

In Sachsen wurden bisher einige Brunnen gefunden. Auf einem bandkeramischen Siedlungsplatz bei Eythra wurden gleich drei mehr oder weniger gut erhaltene Brunnen ausgegraben. Weitere wurden bei Leipzig-Plaußig, Schkeuditz-Altscherbitz, Dresden-Cotta und Brodau entdeckt.

Pathologische Veränderungen am Skelett

Trepanation
Trepanierter Schädel. Abb. aus Sophus Müller, Nordische Altertumskunde Band 1 (Strassburg 1897) Abb. 86.

Schaut man sich die Skelette aus der Jungsteinzeit an und vergleicht sie mit vorheriger Epochen, dann wird eine deutliche Zunahme an verschiedenen pathologischen Veränderungen sichtbar. Eine davon wird als "Hockerfacette" bezeichnet. Dabei handelt es sich um eine Verdickung des Schienenbeins (Tibia) im Schaftbereich mit einer knöchernen Auflagerung und/oder einen porösen Oberfläche. Das erstere ist eine mehr oder minder stark ausgeprägte Neubildung eines Gelenkes am unteren (distalen) Ende des Schienenbeins. Diese ist auf ein häufiges Hocken zurückzuführen. In einer solchen Position wird der Druck der Gelenkkapsel auf den Fußknochen erhöht - mit unschönen Folgen. Die betroffene Person wird - je dem nach Grad der Ausprägung - Schmerzen gehabt haben.

 

Zusammen mit dem Beginn des Neolithikums steigt die Anzahl der Verletzungen durch andere Menschen deutlich an. Dazu gehören zahlreiche Schläge auf den Kopf mit Schuhleistenkeilen oder Keulenköpfen. Auch tödliche Verwundungen durch Pfeilschüsse sind belegt. Das bekannteste Beispiel hierfür ist der „Ötzi“. Dies muss nicht heißen, dass gewaltsame Auseinandersetzungen zum Alltag gehörten. Es ist aber ein Indiz dafür, dass man nicht abgeneigt war, seine Probleme undiplomatisch zu lösen.

 

Abgesehen davon wurden auch gut gemeinte Operationen am Schädel durchgeführt. Gemeint sind hier Trepanationen. Die meisten neolithischen Trepanationen stammen aus der schnurkeramischen Kultur. Bei einem solchen Eingriff wurde ein Teil der Schädeldecke entfernt. Es handelt sich hierbei nicht um chirurgische Maßnahmen am Gehirn, sondern nur um die Entfernung des Schädelknochens an einer bestimmten Stelle.

In Peru wurde ein Schädel mit sieben Trepanationen gefunden, die alle verheilt waren. In Europa wurden ebenfalls Schädel mit mehreren Trepanationen gefunden, allerdings noch keiner mit derartig vielen. Wie ist man dabei vorgegangen? Dies konnte durch vorsichtiges Abschaben oder Schneiden getan werden. Nur erfahrene "Medizinmänner" werden dies gemacht haben. Eine Verletzung des Gehirns oder der großen venösen Blutleiter des Gehirns direkt unter der Schädeldecke hätte mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Tode geführt.

Den "Patienten", wenn sie allein nicht bewusstlos wurden, konnte man schon damals betäubende Mittel einflößen. Der eigentliche Vorgang ist nicht so schmerzhaft gewesen wie man es denken mag. Er dauerte mit ca. 30 Minuten nicht lange. Für den "Patienten" wird das Geräusch des Knochenabschabens am unangenehmsten gewesen sein.

 

An den Schädelfunden kann man gut erkennen, ob die jeweils betroffene Person den Eingriff überlebt hat. Der Rand der Wunde vernarbt nämlich wieder nach einiger Zeit. Er weist dann eine glatte Oberfläche auf. Wenn der Trepanierte in der Folgezeit verstarb, wurde er meist mit dem entfernten Schädelstück bestattet. Auch wenn das entfernte Schädelstück nicht im Grab liegt, kann anhand des Wundrandes ein Tod unmittelbar nach der Operation erkannt werden. Knochen brauchen längere Zeit, um zu verheilen. Wenn diese nicht vorhanden ist, ist die Spongiosa noch sichtbar.

 

Aus der Schweiz sind insgesamt 34 Trepanationen bekannt. Für 22 davon konnte bewiesen werden, dass sie an lebenden Menschen durchgeführt wurden. 15 davon überlebten den Eingriff. Das entspricht einer Genesungsquote von 68%. Betrachtet man alle in Deutschland durchgeführten Trepanationen, das vorhandene Skelettmaterial ist etwas umfangreicher als in der Schweiz, ergibt sich eine Überlebensquote von 81%. 

 

Aus Dänemark ist ein für Europa bisher einzigartiger Fund bekannt. Für ein neolithisches Skelett konnte eine Zahnbohrung mit einem Steinbohrer nachgewiesen werden.

Besondere Links im Web

Thema Link
Mehr Wissen zum Neolithikum www.steinzeitwissen.de/neolithikum
Webseite der AG Neolithikum www.dirk-schimmelpfennig.de/ag_neo/index.html
ex oriente e.V. www.exoriente.org

Verwendete Literatur

Autor Titel Seite
Funke Die Bevölkerung der Baalberger Kultur. Eine Anthropologisch-Archäologische Analyse 137
Gronenborn Die Neolithisierung Mitteleuropas: The Spread of the Mesolithic to Central Europe -
Hermann et al Prähistorische Anthropologie: Leitfaden der Feld- und Labormethoden 111f.
Prudence M. Rice Pottery Analysis: A Sourcebook -
Von Schnurbein Atlas der Vorgeschichte 60-108
Trachsel Ur- und Frühgeschichte 55-65

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