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Sonntag 22. November 2009 - 20:56 Uhr
Kategorie: Blog
Von: Jan

3 Tage Archaeoworks – was bleibt?

Am Freitag hatte die von Studenten und Fachschaften organisierte Messe „Archaeoworks: Archäologische Berufswelten“ für Archäologiestudenten begonnen, nachdem sie bereits seit Monaten von den Veranstaltern und auch von uns angekündigt wurde. Um 10 Uhr wurde sie am Freitagvormittag mit insgesamt fünf Begrüßungsreden in den Hörsälen der Freien Universität Berlin eröffnet.


Nachdem die Schirmherren der Veranstaltung als erste ihre Besucher begrüßt hatten, kamen Vertreter unterschiedlicher Hochschulen zu Wort. Von der Freien Universität sprach Prof. Dominik Bonatz, von der Humboldt Universität Prof. Stefan G. Schmidt, von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Prof. Matthias Knaut und abschließend zur Einleitung  hielt Prof. Frederike Fless von der Freien Universität einen Festvortrag.

 

Der Schwerpunkt richtete sich ganz dem Motto „Und was machst du damit, wenn du fertig bist?“ auf das archäologische Berufsspektrum und die allgemeine Situation auf dem Arbeitsmarkt. Damit wurde ein Nerv getroffen, der sehr viele Archäologiestudenten nach wie vor bewegt und dringend diskutiert werden muss. Es wurden in den drei zur Verfügung stehenden Hörsälen jeweils einstündige Vorträge gleichzeitig gehalten, wobei einer der Hörsäle von Bildungsstreikenden besetzt gehalten wurde. Allerdings konnten dort, nachdem jede Seite für die Interessen und Wünsche der anderen Seite Verständnis gezeigt hatte, alle Veranstaltungen stattfinden.

 

Jeder Hörsaal deckte jeden Tag ein anderes Thema ab. So wurden am ersten Tag Forschungen und Projekte, Förderungsmöglichkeiten und Hochschulkarriere und Workshops abgehalten. Am Samstag standen archäologische Unternehmen, Museen und Denkmalpflege/Landesarchäologie im Mittelpunkt, zusätzlich eröffneten um neun Uhr die Messestände zahlreicher Vereine und Unternehmen in Mensa. Sonntag standen die Realitäten und Chancen, Verlage/Living History/Experimentelle Archäologie und Tourismus/Stiftungen/Vereine im Zentrum der Diskussionen.

 

In den Orchideenfächern wie etwa der Archäologie gibt es nicht zuletzt „Dank“ der Einführung des Bachelorstudium noch düstere Berufsaussichten als vorher, von Festeinstellungen reden wir gar nicht erst. Der Bachelabschluss ist in der Berufswelt für die Absolventen nicht hilfreich. Er bringt niemanden weiter und stellt generell keine Arbeitsstelle in Aussicht, vielleicht ein Praktikum ohne Entgelt, für das man sich noch bedanken muss und seine Würde vor der Tür liegen lassen kann. Das wurde bei allen Vorträgen von den Vertretern aus den Bereichen Living History, Museum, Verlag, Landesarchäologie und aus Grabungsfirmen deutlich. Wer sich mit dem Bachelor allein in das Arbeitsleben stürzen wolle, der begebe sich auf ein hauchdünnes Eis, betonten die Redner aus eigener Erfahrung.

 

Jobs gibt es zwar viele - aber: die Anzahl der Festeinstellungen ist gering, und wird zunehmend weiter abgebaut: dort ist die Konkurrenz am größten. Dafür hat sich Anzahl der befristeten Stellen in den letzten Jahren beinahe verdoppelt, reicht allerdings immer noch nicht für alle Absolventen aus. Das heißt, dass stark sortiert werden muss, wenn es mehr Bewerber als freie Stellen gibt. Darum bekommen nur diejenigen einen Platz, welche sich durch überdurchschnittliche Leistungen qualifizieren.

 

Eigene Initiativen in Form von Selbstständigkeit und umfangreichen Engagements auf verschiedenen Ebenen wie Sprach- und EDV-Kenntnissen oder eigenen Projekten erhöhen die Chance auf den angestrebten Arbeitsplatz und die Aufmerksamkeit der Arbeitsgeber. Selbst wenn überall gespart wird, sollte man deshalb nicht auf jedes erstbeste Jobangebot eingehen. Ein Archaeotechniker sagte heute, er werde lieber (ver)hungern als sich unter Lohn zu verkaufen und bedaure die offenständigen Missstände in der deutschen Berufswelt sehr. Anhaltender Beifall aus dem überfüllten Plenum schallte ihm dafür entgegen, denn er hatte von allen Rednern am klarsten gesagt, was Sache ist und empfing dafür Sympathie.

 

Bei der Arbeitsfindung kommt es also unter Umständen in erster Linie nicht auf das spezielle Fachwissen an, wie man während der Vorträge mehrfach zu hören bekam, sondern auf eine Sparte weiterer Qualifikationen und so genannter „soft skills“, die in der Hochschule nicht oder nur sehr selten gelehrt werden. Dazu gehören unter anderem Management, Verwaltung, interdisziplinäre Erfahrungen und Bekanntschaften oder schlichtweg eine über-über- über-durchschnittliche Promotion: aber vor allem viel Herzblut.

 

Nachdem man anfangs mit gerade 300 Besuchern gerechnet hatte, wurden mit rund 1200 Messegänger alle Vorstellungen übertroffen, resümierte einer der Organisatoren heute Nachmittag als sich alles dem Ende näherte. Dies ist ein Beweis für das Interesse an der Archäologie als Wissenschaft einerseits und Beleg für die Sorgen vor der unsicheren Zukunft. Geisteswissenschaften werden tot gespart und die letzten Hinterbliebenen müssen einen Spießrutenlauf unternehmen, um von einer befristeten Stelle zur nächsten zu gelangen. Gerade darum sind Leidenschaft, Opferbereitschaft wie auch die persönliche Flexibilität nötig, um auf dem Arbeitsmarkt überleben zu können. Man könne sich darauf einstellen, alle paar Jahre für eine neue Stelle auf Zeit umzuziehen oder Monate der Arbeitslosigkeit in Kauf zu nehmen. Alternativ ist es natürlich denkbar, im Ausland auf Arbeitssuche zu gehen. Wer ein Laster für teure Autos und Villen am Mittelmeer hat, der sollte (irgend)etwas anderes studieren oder sich der „französischen Methode“ bedienen: bei einer Sicherheitsfirma anfangen und dann mit dem Transporter das Weite suchen.  

 

Fassen wir diese spannende und informative Messe einmal zusammen: es gibt „sogar“ Arbeit Archäologieabsolventen. Wichtig sind Flexibilität, Interdisziplinarität und überdurchschnittliche Qualifikationen.

Die Messe hat einen riesigen Anklang gefunden und wurde sehr gut besucht, war umfangreich und voller spannender Inhalte. Man hat viele bekannte und neue Gesichter gesehen und einen Überblick zur Gesamtsituation in Deutschland bekommen. Selbst am Samstag- und Sonntagmorgen waren um neun Uhr Hörsäle bis auf den letzten Platz auf der Treppe besetzt.

Archaeoworks ist vielversprechend und mit dem enormen Potential durchaus zukunftsweisend. Es wird die "Venus" für Archäologiestudenten werden, nur eben mit Inhalten und nackten Wahrheiten, die nicht immer erfreulich sind.


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