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Donnerstag 15. April 2010 - 21:12 Uhr
Kategorie: Top, Blog
Von: Jan

Ausstellungsbesuch: "Funde, die es nicht geben dürfte"

Kommentar zur Sonderausstellung im stadtgeschichtlichen Museum Leipzig. Das stadtgeschichtliche Museum in Leipzig zeigte bis zum vergangenen Sonntag eine ur- und frühgeschichtliche orientierte Sonderausstellung. Der Titel trug den durchaus verlockenden Schriftzug >>Funde, die es nicht geben dürfte. Brunnen der Jungsteinzeit in Sachsen<<. Den Besuchern versprachen die öffentlichen Plakate zur Ausstellung einzigartige Exponate aus dem älteren Neolithikum.


Das stadtgeschichtliche Museum in Leipzig zeigte bis zum vergangenen Sonntag eine ur- und frühgeschichtliche orientierte Sonderausstellung. Der Titel trug den durchaus verlockenden Schriftzug >>Funde, die es nicht geben dürfte. Brunnen der Jungsteinzeit in Sachsen<<. Den Besuchern versprachen die öffentlichen Plakate zur Ausstellung einzigartige Exponate aus dem älteren Neolithikum.  

Die Funde stammen allesamt aus sechs bandkeramischen Brunnen. Diese waren in den letzten Jahren in Eythra, Leipzig-Plaußig, Schkeuditz-Altscherbitz, Dresden-Cotta und Brodau gefunden worden. Die Brunnen wurden zwischen 1997 und 2005 während „gewöhnlichen“ archäologischen Arbeiten und durch Notgrabungen im Braunkohletagebau für die Forschung sichergestellt. Derjenige 30 Kubikmeter umfassende Brunnen aus Schkeuditz-Altscherbitz wurde sogar in einem Block geborgen. Grund hierfür war der enorme Zeitdruck, unter dem die Archäologen während der Notgrabung standen. In einem eigens dafür eingerichteten Labor konnte der Brunnen anschließend in sorgsamer Feinarbeit freigelegt und dokumentiert werden – ein sich lohnendes aber durchaus sehr kosten- und zeitaufwändiges Unternehmen. Die Freilegung des Brunnens wurde teils auf Video festgehalten und ist im Zeitraffer in der Ausstellung zu sehen gewesen.  

 

Die Ausstellung an sich war recht klein. In vier Räumen widmete man sich im Neubau des eigentlich stadtgeschichtlichen Museum den „Funden, die es nicht geben dürfte“. Die Fundstücke selbst waren alle im „letzten“ Raum zu sehen. Bevor man sich ganz der Ausstellung widmete, konnte man sich an der Kasse eine kostenlose Zeitung zur Ausstellung mitnehmen (16 Seiten umfassend). Sie erwies sich als ausführlicher und verständlicher  Ausstellungsführer.

 

Im ersten Abschnitt des Rundgangs zeigte ein Film den Ablauf der Blockbergung von Schkeuditz-Altscherbitz. Ein anderer Film dokumentierte die archäologische Erschließung desselben Brunnens. Plakate an den Wänden klärten in (knappen) Worten auf, was das Neolithikum ist, wer „die“ Bandkeramiker/Innen waren und  warum ein Brunnen für die Forschung so interessant sein kann. Der Grund liegt darin, dass sich in einem feuchten Milieu organische Materialien sehr gut erhalten. Dazu gehören Artefakte aus Holz, Schnüre, kleinere Knochen (etwa die von Fröschen), Pollen oder Pflanzen (beispielsweise eine Hagebutte).

Für eine gute Erhaltung müssen sie nach ihrer Niederlegung in ein feuchtes Milieu gelangen, das zudem keine Luft an sie lässt. Ein Beispiel hierfür sind Brunnen oder Moore. Alternativ erhalten sich organische Materialien in einem sehr trockenen Klima/Milieu wie beispielsweise in Ägypten.

Zurück zur Ausstellung. Die Plakate im ersten Raum waren mit einigen handgeschriebenen Kommentaren auf  „post it“ an den Wänden optisch nicht schön in Szene gesetzt. Es wirkte sehr sporadisch. Inhaltlich waren sie dennoch lesenswert. Daneben hingen drei 3D-Ansichten/Fotos von Brunnen und eine Box mit 3D-Brillen.  

 

Der nächste Raum wurde von einem Papierturm dominiert. Jedes Blatt stand für ein Jahr, seit es den Menschen gibt – folglich war er entsprechend hoch. Neben dem Papierturm stand ein gedeckter Tisch mit modernen Alltagsgegenständen. Ihm war zu entnehmen, wie lange sich die ausgestellten Objekte halten würden. Ein größerer Text hing gegenüber von diesem Tisch an der Wand. Er ging etwas näher auf das Neolithikum ein. Dazu wurden Keramikfragmente etc ausgestellt.   Der dritte war nicht nur der größte, sondern auch optisch am eindrucksvollsten (siehe Foto). In sechs Stationen wurden die jungsteinzeitlichen Brunnen aus Sachsen vorgestellt. Dazu wurden Videos, Bilder und kleinere Texte gezeigt.       

 

Im letzten abgedunkelten Zimmer wurden die Funde aus den Brunnen in nicht-spiegelnden Vitrinen ausgestellt. Das ist nicht in jedem Museum üblich und verdient, positiv hervorgehoben zu werden. Die Funde wurden von mehren kleinen Lampen dezent beleuchtet. Dieser Bereich war damit auf das Wesentliche konzentriert. Trotz des wenigen verfügbaren Lichts durfte und konnte gut fotografiert werden. Wir hatten anfangs gar nicht damit gerechnet, dass es erlaubt sein würde, diese Funde fotografieren zu dürfen. Auch das ist in vielen Museen leider keine Selbstverständlichkeit. Was waren da nun für Fundstücke? Unter anderem waren dort ein Froschskelett, einige mit Pech und Rinde geflickte Gefäße aus der Bandkeramik oder etwa ein Knochenhammer. Ein Gefäß war mit Pech überzogen und anschließend mit einem Spiralmuster (aus Birkenrinde geschnitzt!) überklebt worden. Etwas derartiges ist zuvor nicht bekannt gewesen. Auch Taschen und Schöpfgefäße wurden in den Brunnen gefunden.

 

Fazit: Abgesehen von den 3D-Brillen bot die Ausstellung keine Interaktivität, dafür sind „neue Medien“ wie etwa Videos zahlreich in sinnvoller Verwendung gewesen. Der erste Raum war in seiner Präsentationsart optisch kein Hit. Der zweite Raum hatte dagegen einen innovativen Papierturm und führte gut vor Augen, was von uns noch in einigen tausend Jahren zu finden sein wird. Die Funde im vierten Raum waren sehr interessant und in gelungen in Szene gesetzt.

Der Eintrittspreis lag für Studenten bei 2 Euro, die Zeitung zur Ausstellung war umsonst und fotografieren durfte man außerdem auch in aller Ruhe. Auch wenn das Gesamtkonzept der kleinen Ausstellung schlicht wirkte, hat sich der Besuch letztlich wegen dieser Ausnahmefunde aus den Brunnen gelohnt.


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