ArchaeoTree? - Entwurf eines Dateisystems für archäologische Feldforschungsprojekte

Archäologische Projektarbeit führt zur Akkumulation beachtlicher Mengen stark heterogener Daten. Um diese Daten auf einem sehr grundsätzlichen Niveau zu verwalten, werden sie in aller Regel im Verzeichnisbaum eines Dateisystems abgelegt.

 

Die Struktur desselben wächst meist organisch mit dem Projekt und muss immer wieder an neue Erfordernisse angepasst werden. Findet diese Anpassung nicht statt, entstehen unnötig komplexe Bäume, die einem externen oder neuen Nutzer den Zugang zu Forschungsdaten erschweren und bestehende Nutzer zu ineffizienten Klickpfaden und langwierigen Suchprozessen nötigen. Die nachträgliche Änderung eines komplexen Dateisystems ist allerdings zeitaufwändig und aufgrund innerer Verknüpfungen mitunter risikoreich.

 

Die optimale Lösung scheint darin zu bestehen, schon vor Beginn der Projektarbeit ein Dateisystem anzulegen, das in seiner Grundstruktur alle zu erwartenden Anforderungen erfüllt und gleichermaßen ausreichend flexibel bzw. erweiterbar ist, um anfangs nicht vorgesehene Daten aufnehmen zu können. Eine solche Idealstruktur ist im Detail sicher für jedes Projekt individuell festzulegen - dennoch kann der Versuch unternommen werden, projektübergreifend ähnliche Bereiche abzugrenzen. 

 

In diesem kurzen Beitrag möchte ich den Entwurf eines Dateisystems vorlegen, das ich für das Feldforschungsprojekt auf der Bucova Pusta IV in Rumänien entwickelt habe. Es löste zum Jahreswechsel ein in hohem Maße ineffizient gewordenes System ab und könnte ob seines Modellcharakters auch für andere Projekte als Vorlage dienen. Dafür sind besonders die erste und zweite Ebene der Verzeichnisstruktur relevant - tiefere, feingliedrigere Verzweigungen sind in zunehmendem Maße projektspezifisch.

Ebenfalls für jedes Projekt individuell zu klären ist, wie und in wie weit nutzerabhängige Zugriffssteuerung eingerichtet werden soll, um den Zugang zu ausgewählten Daten für bestimmte Personen(gruppen) einzuschränken bzw. explizit zu gestatten. Darauf soll in diesem Kontext nicht eingegangen werden.

 

 

 

ArchaeoTree?

Der Dateibaum ist in sechs übergeordnete Bereiche (Superverzeichnisse) gegliedert:

1. Finds (Fundbearbeitung)

2. Publication (Veröffentlichung und Medien)

3. Organization (Planung, Inventar und Metainformationen zum Postprocessing)

4. Excavation (Grabungsergebnisse)

5. Context Data (Ergebnisse von Hilfswissenschaften und Kontextinformationen)

6. GIS (Geodatenbank)

Diese werden im Folgenden kurz erklärt und mit Subverzeichnissen verknüpft.

 

Der Entwurf wurde mit dem UML (Unified Modeling Language) Editor UMLet visualisiert.

Zu unterscheiden sind Verzeichnisse (Rechtecke mit Titel) und Kommentare zum Verzeichnisinhalt (Rechtecke mit abgerundeten Ecken). Der Farbschlüssel gibt Auskunft über die dominanten Datentypen eines Verzeichnisses:

Pink - Datenbanksysteme

Grün - Bilder

Blau - PDFs bzw. PS-Dokumente

Rot - Textdateien

Gelb - CAD-Dateien

 

Die Ordner "Temp - Temporary Folder" in den Superverzeichnissen Finds und Excavation dienen als Puffer, um Daten aufzunehmen, die erst zu einem späteren Zeitpunkt sortiert werden können. Ihre Notwendigkeit ergibt sich aus Erfahrungen im Grabungsalltag.

Superverzeichnis: Finds

Die Fundbearbeitung auf der Bucova Pusta IV bringt für Einzelfunde eine Vielzahl von materialspezifischen Informationen hervor, die in einer Datenbank abgelegt werden (Data). Ein großer Teil der Funde wird gezeichnet und fotografiert (Images). Ist eine Fundkategorie in der Literatur noch nicht ausreichend erschlossen, beginnt ein dokumentierter Prozess der Typologiebildung (Typology) durch Vergleich von Form- und Materialspezifika.

Superverzeichnis "Finds"
Verzeichnis "Finds". © CLEMENS SCHMID 2015

Superverzeichnis: Publication

Präsentation von Grabungsergebnissen - sowohl in der Fachgemeinschaft als auch an eine interessierte Öffentlichkeit adressiert - ist Bestandteil jeder archäologischen Forschungsgrabung. Vorträge (Presentations), Webpräsenz (Internet) und Ausstellungen (Exhibitions) bilden zentrale Kanäle, um diesem Anspruch gerecht zu werden. Dieser Bereich ist sicher projektspezifisch stark unterschiedlich ausgeprägt und kann gegebenenfalls reduziert werden. 

Um schnell einen Überblick von der aktuellen Grabungssituation vermitteln zu können, sind vorgefertigte, mit jeder Kampagne aktualisierte Grabungspläne ein wichtiges Hilfsmittel (Plan-Pool). Gemeint sind fertig verarbeitete, hoch aufgelöste Rastergraphiken, die aus CAD (siehe Superverzeichnis Excavation) und GIS hervorgegangen sind.

Publizierte Artikel und Abschlussarbeiten, die im Kontext der Grabung auf der Bucova Pusta IV angefertigt wurden, werden in digitalen Kopien zentral vorgehalten.

Verzeichnis "Publication". © CLEMENS SCHMID 2015

Superverzeichnis: Organization

Archäologische Feldforschung setzt intensive Planung und gute technische Vorbereitung voraus. Dazu gehört die Bereitstellung von Unterkunft, Material und Versorgung für das Grabungsteam (Plan), aber auch die Beschaffung von Software und die Schulung von Studierenden im Umgang mit digitalen und analogen Dokumentationsmethoden (Data handling).

Spezifischer - aber dennoch im Dateibaum aufgrund häufiger Nutzung weit oben angesiedelt - sind Druckvorlagen (First prints) für Fundzettel u. Ä. sowie Metainformationen zur Konfiguration der Total Station (Measurement metadata).

Verzeichnis "Organization". © CLEMENS SCHMID 2015

Superverzeichnis: Excavation

Der größte und komplexeste Datenbestand einer archäologischen Ausgrabung entsteht meist als Produkt der digitalen Dokumentation von erfassten Strukturen.

Auf der Bucova Pusta IV werden sukzessive Areale von je etwa 5m*5m Größe geöffnet, die als zentrale Gliederungseinheit der Grabung gelten können (Trench). Künstlich angelegte Quer- und Längsschnitte (Planum und Profile) werden mit verschiedenen fotographischen Techniken aufgenommen, in Hinblick auf erkennbare Strukturen vermessen und analytisch beschrieben. Selbes gilt für die im Rahmen der Grabung erfassten, archäologischen Befundeinheiten (Feature) und für die auf diesselben angewandten Querschnitte (Featureplanum).

Bilddaten und Messungen werden in CAD-Software zu einem digitalen Plan der Dokumentationseinheit zusammen geführt. Jeder Schnitt (Trench) umfasst also eine Vielzahl unterschiedlicher Subeinheiten, die jeweils mit einem erheblichen Datenbestand verknüpft sind. Die Relationen dieser Subeinheiten spielen unter dem Stichwort der Fundplatzstratigraphie eine wesentliche Rolle für die Auswertung (Stratigraphy).

 

Getrennt davon werden das vom Grabungsleiter betreute, allgemeine Grabungstagebuch (Field Diary) sowie die Rohdaten der Feldvermessung (Measurements) vorgehalten.

Verzeichnis "Excavation". © CLEMENS SCHMID 2015

Superverzeichnis: Context Data

Insbesondere die Anwendung naturwissenschaftlicher Methoden erschließt eine Vielzahl zusätzlicher Informationen hinsichtlich Fundplatz und Umgebung, die jeweils höchst unterschiedlich strukturiert und in sich verknüpft sind. Context Data erlaubt das einfache Sammeln dieser Datenbestände, die so en bloc vom Spezialisten entgegengenommen, verarbeitet, verknüpft und ggf. weitergegeben werden können.

Verzeichnis "Context Data". © CLEMENS SCHMID 2015

Superverzeichnis: GIS

Je nach finanziellen und personellen Möglichkeiten eines archäologischen Forschungsprojekts, können CAD-Daten der Grabungsdokumentation sowie Rasterdaten von Luftbildaufnahme, Kartierungen und sämtliche anderen, raumbezogenen Kontextinformationen in der Geodatenbank eines Geographischen Informationssystems zusammengeführt werden. Abhängig von Komplexität und Methode verändert sich die Struktur des Superverzeichnisses GIS erheblich.

Verzeichnis "GIS". © CLEMENS SCHMID 2015

Downloads

Filesystem.zip

Archiv, das die Struktur von Ebene 1 und 2 des vorgestellten Dateisystems enthält

TreeFINAL.uxf

UML-Datei (liegt den Abbildungen zugrunde)

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