Höhlenmalerei

Höhlenmalereien aus Castillo
Höhlenmalereien aus Castillo, Spanien. Abbildung aus E. A. Parkyn, An introduction to the study of prehistoric art (New York 1915).

Höhlenmalerei im Jungpaläolithikum

Les Combarelles
Schematisches Pferd, überlagert von diversen Linien, Les Combarelles.

Wir können die paläolithische Kunst grundlegend in zwei Kategorien aufgliedern. Zum einen wäre da die mobile Kleinkunst, zu der Statuetten und verzierte Gegenstände gehören. In die andere Kategorie zählen die unbeweglichen künstlerischen Darstellungen auf Wänden, die unter den Begriffen FelsbildkunstWandkunst oder Parietalkunst zu finden sind. Hier können wir weiterhin zwischen denjenigen Abbildungen unterscheiden, die sich im Freien oder in Höhlen befinden. In diesem Kapitel widmen wir uns den Bedeutungen von Höhlenmalereien. Wir stellen euch fünf Theorien vor, die jeweils ein spezifisches Menschenbild für das Jungpaläolithikum entwerfen.

Höhlenmalereien zählen zu den herausrangenden Zeugnissen des Jungpaläolithikums. Sie datieren bereits in das frühe Aurignacien und damit an denjenigen Zeitpunkt, an dem der anatomisch moderne Mensch in Europa eintrifft. Sehr frühe Belege stammen aus der spanischen Höhle von Castillo. Eine mit rotem Ocker gemalte Scheibe wurde auf ein Alter von 40.800 Jahren datiert. Im südfranzösischen Abri Castanet wurden 37.000 Jahre alte Gravuren und mit rotem Ocker angefertigte Zeichnungen von Tieren und geometrischen Formen gefunden. Auch wenn bisher keine menschlichen Knochen im direkten Zusammenhang mit den Malereien entdeckt wurden, wird dennoch dem Homo sapiens die Urheberschaft zugeschrieben. Weil das Alter der Höhlenmalereien durch die neuen Datierungen aus der Castillo-Höhle erneut angehoben wurde, kann allerdings nicht ausgeschlossen werden, dass in diesem Fall Neandertaler hierfür verantwortlich sind.

Verbreitung der Höhlenmalereien

Gegenwärtig sind mehr als 300 Fundstellen mit Felsbildkunst bekannt. Die Darstellungen befinden sich nicht alle unter Tage, sondern auch im Freien. Davon befinden sich 150 in Frankreich, 128 auf der iberischen Halbinsel, 21 in Italien, eine in Jugoslawien und Rumänien und einige in Russland. In Baden-Württemberg gibt es Hinweise auf Wandkunst aus dem Geißenklösterle bei Blaubeuren und dem Hohlefels bei Schelklingen.

Im Vergleich zur Höhlenmalerei zeigt die mobile Kleinkunst ein anderes Verbreitungsbild. Sie konzentriert sich auf drei Gebiete. Das erste liegt nördlich der Pyrenäen in Südfrankreich um den Fundplatz La Madeleine, das zweite in der Umgebung des Vogelherds im Lonetal und das dritte bei Kostienki, 400 km südlich von Moskau. Im Vergleich zur Wandkunst ist sie ein zentraleuropäisches Phänomen.

Maltechniken und Farben

Ocker
Der Farbstoff wurde mitunter in Gelenkpfannen wie wir sie hier sehen verarbeitet. Der Maßstab entspricht 1 cm. Zur Verfügung gestellt vom Museum in Altamira.

Darstellungen wurden nicht allein mit Pinseln aufgetragen. Sie wurden auch mit Steinwerkzeugen in die Oberflächen eingraviert (z.B. die Venus von Laussel) oder mit Fingern in den feuchten Lehm gedrückt bzw. plastisch darauf geformt. In der Höhle von Tuc d'Audoubert stießen die Entdecker auf zwei Bisons, die komplett aus Lehm modelliert waren. In der Umgebung fanden sie die Überreste weiterer modellierter Tiere und Fußspuren von Kindern. Ob die Tiere tatsächlich von Kindern hergestellt wurden, kann daraus nicht geschlossen werden.

Die Farben wurden auch mit dem Mund durch Sprühen an die Wände gebracht. Überdies gibt es eine handvoll Funde von Knochenröhrchen (z.B. aus Les Cottes), die zum Aufbewahren bzw. zum Sprühen von rotem Ocker verwendet worden sein könnten. Es liegt zumindest nahe, da in den Röhrchen rote Farbpigmente (Ocker) gefunden wurden. In der Höhle von Altamira wurden Mollusken gefunden, an denen rote Farbpigmente anhafteten. Die Funde werden so interpretiert, dass sie zum Anmischen und gegebenenfalls zum Transport von Ockerfarben in der Höhle benutzt wurden. 

 

Zum Färben dienten unter anderem die Eisenoxide Hämatit, Limonit und Goethit. Sie dienten als Quellen für die Farben Rot, Braun, Orange und Gelb. Die drei Minerale haben den Vorteil, dass sie anorganisch sind, d.h. dass sie sich nicht mit der Zeit auflösen wie organische Farben, für die Pflanzen oder Blut benutzt wurde.

Zu Beginn des Jungpaläolithikums finden wir in Europa eine neue Gattung von Ockerfakten. Es handelt sich hierbei um kleine schmale und längliche Ockerstücke, die aufgrund ihrer Form seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts als „Crayons“ angesprochen werden. Diese Ockerstifte sind oftmals nur 2 cm lang und laufen an einem Ende spitz zu. Ob die Ockerstifte tatsächlich für Höhlenmalereien verwendet wurden, konnte bisher nicht bewiesen werden. Zum einen sind bisher wenige solcher Funde aus Höhlen mit Malereien bekannt und zum anderen liefern die kleinen Ockerklumpen lediglich geringe Mengen an roter Farbe. Angesichts der Größe der Darstellungen erscheinen die Ockerstifte für derartige künstlerische Vorhaben gänzlich ungeeignet. Wahrscheinlicher ist, dass für höhlenmalereien Ockerstücke aus lokalen Lagerstätten geholt, vor Ort mit Reibsteinen zerrieben und mit Wasser, Speichel oder Blut aufbereitet wurden, um an den Wänden besser anhaften zu können.

Holzkohle und Manganoxide waren geeignete Lieferanten für Schwarze Farbpigmente. Für die Farben Grün, Blau und Weiß gibt es in den Höhlen bislang keine Hinweise – sie fehlen vollständig. Es liegen allerdings Fälle vor, in denen die verwitterte obere Schicht der Höhlenwände abgeschabt wurde, damit man einen weißen Untergrund für die Zeichnungen erhielt. 

Das Spektrum der Höhlenmalereien

Zu den begehrten Motiven gehören große Säugetiere wie Bison, Hirsch, Auerochse, Löwe, Bär, Wildpferd, Rentier, Steinbock, Wollnashorn und Kühe. Ausgestorbene Tiere wie der Riesenhirsch und das Mammut sind ebenfalls oft zu sehen. Seltener dagegen sind Insekten, Vögeln, Fischen, Pflanzen, Menschen und Mischwesen. Die Tiere werden sowohl isoliert wie auch in Gruppen miteinander dargestellt. Interessant ist, dass öfters Tierpaare gezeigt werden, die sich in der freien Wildbahn nicht zusammenfinden würden. Eines dieser Paare bilden Bison und Wildpferd. Eine Deckenmalerei in der Höhle von Altamira zeigt Bison, Hirsch und Wildschwein miteinander. Generell ist leider schwer zu sagen, welche Tiere zum gleichen Zeitpunkt gemalt wurden und zusammengehören sollen. Die Höhlen wurden öfters als einmal aufgesucht, d.h. es gibt mehrere Benutzungsphasen. Hinzu kommt, dass die Abbildungen keinen einheitlichen Maßstab haben, über den man Zugehörigkeiten erkennen könnte. Ferner gibt es Höhlen, in denen eine Tierart anderen vorgezogen wurde. Rouffignac wird aufgrund der zahlreichen Mammuts als „Heiligtum des Mammuts“ bezeichnet. In Lascaux dominieren weibliche Rinder und Wildpferde. 

 

Die Platzierung der Tiere erfolgte im Einklang mit den natürlichen Gegebenheiten der Höhlen. Eindrucksvoll zeigen dies Malereien in der Grotte Chauvet, Altamira und Lascaux. Die Darstellungen wurden dort an den Höhlenwänden angebracht, wo sie durch das Relief besonders plastisch wirken und der optische Effekt verstärkt wird. Es wurde genau darauf geachtet, welche Oberfläche sich für ein Tier eignet und welche nicht. In Altamira wurden an der Decke Bisons auf auffälligen Felsbuckeln gemalt. Weiterhin gibt es Fälle, in denen ein und dasselbe Tier in unterschiedlichen Positionen über- oder leicht nebeneinander versetzt dargestellt wird. Sobald man diese Zeichnungen wie in einem Daumenkino betrachtet, werden Bewegungsabläufe erkennbar. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass zumindest ein Teil der Malereien zum Anschauen gedacht war. Bewegungen werden außerdem in großen Friesen mit mehreren Tierarten angedeutet, zum Beispiel in Form von Jagdszenen. In der Chauvet-Höhle wird auf einem 10m langen Fries gezeigt wie Löwen sich auf der Jagd befinden. Die Dichte der Zeichnungen variiert je nach Höhle und Höhlenabschnitt. So kann es sein, dass man die Tiere isoliert voneinander vorfindet, oder dass sie sich so dicht überlagern, dass es schwer fällt überhaupt irgendein Tier aus dem Wirrwarr an Strichen und Linien zu erkennen.

Die Tierdarstellungen werden oftmals von rot gemalten Linien, Punkten und Zeichen begleitet oder überprägt. Anfangs ging man davon aus, dass diese unspezifischen Zeichen der ersten Höhlenmalereien waren und in späterer Zeit durch Tierzeichnungen ergänzt worden seien. Nachdem man diese gezeichnet hatte, hätten die Menschen festgestellt, dass die Darstellungen partiell in tierartige Zeichnungen übergehen. Diese Entdeckung soll dann dazu angeregt haben, die Linien bewusst in Tierbilder auszugestalten. Wir wissen heute jedoch, dass beide Kategorien gleichzeitig auftraten und keine evolutionistische Abfolge in der Entwicklung der Höhlenmalerei existiert. Es ist nicht so, dass die ersten Malereien wie Skizzen von Kleinkindern aussahen und in den folgenden Jahrtausenden die Proportionen feiner ausgearbeitet wurden. In der Tat es so, dass zu den ältesten Höhlenmalereien (aus heutiger Sicht) sowohl ästhetische wie auch unschöne gehören.  

 

Abbildungen von Menschen und Mensch-Tier-Mischwesen sind rar. Selbiges gilt für Darstellungen, in denen Menschen mit Tieren agieren wie etwa in der Szene aus dem „Heiligtum“ von Lascaux. Dort sehen wir einen Mann mit langen Extremitäten und vogelartigem Kopf neben einem verwundeten Bison, dem Eingeweide aus dem Bauch heraus hängen. Zwischen dem Mann und dem Bison befindet sich ein Stock, auf dem ein Vogel gezeigt wird. Ob es sich um eine für beide Parteien tödlich ausgegangene Jagd oder um eine schamanistisch zu interpretierende Darstellung handelt, steht bis heute zur Diskussion.

Menschen wurden überwiegend indirekt in Form von Handpositiven und Handnegativen abgebildet (z.B. in Gargas und Pech Merle). In der Höhle von Niaux wurden sogar rotfarbige Abdrücke von Füßen an den Wänden hinterlassen.

Paläolithische Lampen

Zeitgleich mit den ersten Höhenmalereien verbreitete sich in Europa eine weitere Innovation: Lampen. In der archäologischen Forschung sind die Stücke parallel mit den ersten Höhlenmalereien aufgefunden worden. In der Höhle von La Mouthe wurde 1902 die erste Lampe entdeckt. Die meisten wurden aus Sandstein und Kalkstein hergestellt. Als Feuerstoff dienten Fette und Sträucher. Weil Sandstein die Hitze des Feuers weiterleitet, war es nach kurzer nicht mehr möglich, die Lampen in den Händen zu halten ohne sich zu verbrennen. Das Problem konnte durch Griffe gemeistert werden. Einige der Lampen wurden mit Tierdarstellungen verziert. Für das Malen in den Höhlen waren die Künstler und Künstlerinnen auf künstliche Lichtquellen angewiesen, mit denen sie die Dunkelheit mit ausreichend Licht erhellen konnten. Interessanterweise decken sich die Verbreitungsbereiche der Höhlenmalereien und der Lampen sehr gut. Außerhalb des Kerngebietes für Höhlenmalereien gibt es nur wenige Lampenfunde. Da die Anzahl an Lampen pro Höhle variiert, müssen damals weitere transportable Lichtquellen bekannt gewesen sein. In Lascaux wurde ein Ensemble von 70 Lampen vorgefunden. Man könnte denken, dass stattdessen Fackeln benutzt wurden. Handfeste Belege gibt es hierfür aber kaum.

Literaturtipps

Autor Titel
Emmanuel Anati Höhlenmalerei
Marc Azéma - Florent Rivère Animation in Palaeolithic art: a pre-echo of cinema. Antiquity 86/332, 2012, 316-324.
Paul Bahn Cave Art: A Guide to the Decorated Ice Age Caves of Europe
Paul Bahn - Jean Vertut Journey Through the Ice Age
Sophie A. Beaune - Rendall White Ice Age Lamps. The invention of fat-burning lamps toward the end of'the !ce Age helped to transform European culture. Scientific American, March 1993
Jean Clottes - Jean Courtin Grotte Cosquer bei Marseille
Jean Clottes Cave Art
Jean Clottes Les Cavernes de Niaux : Art préhistorique en Ariège-Pyrénées
André Leroi-Gourhan Ars Antiqua Große Epochen der Weltkunst Serie I Band I: Prähistorische Kunst. Die Ursprünge der Kunst in Europa
Andrew Lawson Painted Caves: Palaeolithic Rock Art in Western Europe
Michel Lorblanchet Höhlenmalerei: Ein Handbuch
Jean Plassard Rouffignac: Das Heiligtum der Mammuts
Germaine Prudhommeau Representation of Movement in Upper Paleolithic Figurative Art. In: Mary Lecron Foster - Lucy Jayne Botscharow (Hrsg.), The Life of Symbols (1990)
Vjaceslav E. Scelinskij Höhlenmalerei im Ural. Kapova und Ignatievka. Die altsteinzeitlichen Bilderhöhlen im südlichen Ural

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