An frühere Arbeiten von Sophus Otto Müller (1846–1934) und Oscar Montelius (1846–1921) anknüpfend, wollte Ernst Sprockhoff mit seiner Arbeit über "Die nordische Megalithkultur" eine Typologie vorlegen, die nicht nur eine Ansprache der unterschiedlichen Formen der Megalithgräber ermöglichte, sondern auch deren Entwicklung von den ältesten hin zu den jüngsten Formen beschreiben können sollte. Die von ihm zusammengestellte Terminologie ist im Verlauf der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wiederholt aufgegriffen worden, unter anderem von Ewald Schuldt und Ekkehard Aner. Allerdings konnten die zahlreichen Untersuchungen zur absoluten Chronologie der norddeutschen Megalithgräber auf Basis von 14C-Radiokarbondatierungen, die seit der Mitte der 1990er Jahre vorgelegt wurden, die chronologischen Implikationen der Sprockhoff‘schen Typologie nicht bestätigten.
Wenn in den folgenden Ausführungen chronologische Beziehungen zwischen den einzelnen Megalithtypen beschrieben werden, so ist zu berücksichtigen, dass es sich hierbei um Annahmen aus den 1930er Jahren handelt, die inzwischen ein Teil der Forschungsgeschichte sind und nicht dem derzeitigen Wissensstand zur Chronologie der Megalithgräber entsprechen.
Nach Sprockhoff stellen Dolmen die älteste Form der norddeutschen Megalithgräber dar. Bei der Beschreibung der Dolmen legte Sprockhoff einen Fokus auf die „Bauart, Form und Größe der Kammer“. Das Vorhandensein oder Fehlen von Steineinfassung (sogenannten Hünenbetten) und Gängen hatte für die Abgrenzung der einzelnen Dolmentypen keine entscheidende Rolle.
Urdolmen
Innerhalb dieser Gruppe von Megalithgräbern differenzierte er vier Typen, die wiederum eine Entwicklung darstellen sollten: Urdolmen, erweiterte Dolmen, Großdolmen und Vieleck- bzw. Polygonaldolmen. Von allen diesen seien Urdolmen die älteste Form. Die Hauptverbreitungsgebiete dieser Dolmen liegen nach Sprockhoff an der Ostseeküste und südlich der Elbe. Sprockhoff unterschied zwei Varianten von Urdolmen. Die ältere Variante sei ohne Zugang errichtet worden, sodass nach einer Bestattung das Grab verschlossen blieb und nicht erneut genutzt werden konnte. Charakteristisch für Dolmen dieses Typs ist eine kleine rechteckige Grabkammer, auf der ein Deckstein in Längsrichtung liegt. Als Trägersteine dienten große klobige Blöcke, die auf der Seite lagen. In der Kammer selbst ist in der Regel gerade ausreichend Platz für eine Körperbestattung, d. h. Urdolmen fanden vornehmlich Verwendung als Einzelgräber. Die jüngere Variante der Urdolmen sei hingegen mit einem Einstiegsloch an einer der Schmalseiten erbaut worden, sodass ein Hineinsteigen bzw. Hineinkriechen möglich war. Einen in Stein gefassten Eingang – vergleichbar mit demjenigen der Ganggräber – besitzen die jüngeren Urdolmen aber nicht. Aufgrund ihrer Konstruktionsweise konnten die jüngeren Urdolmen mehrfach für Bestattungen genutzt werden. Zudem seien deren Innenräume etwas größer, um mehreren Menschen Platz zu bieten.
Erweiterte Dolmen
Als Weiterentwicklung der Urdolmen beschrieb Sprockhoff die erweiterten Dolmen. Kennzeichnend für diese Megalithgräber sind zwei Decksteine, die quer über der Kammer und jeweils auf zwei aufrechten Trägersteinen liegen, sogenannten Jochen. Diese Konstruktionsweise hatte nicht nur eine Vergrößerung der Grabkammer zur Folge, sondern auch eine Erhöhung derselben. Erweiterte Dolmen wurden deshalb auch nicht für einzelne Bestattungen genutzt, sondern als Kollektivgräber. Besonders häufig lokalisierte Sprockhoff die erweiterten Dolmen in Holstein, im dänischen Wohld und an der Ostküste von Schleswig-Holstein. Vergleichsweise wenige Fundstellen mit Megalithgräbern dieses Typs registrierte er in der Uckermark sowie nördlich von Hannover und in der Küstenregion zwischen Elbe und Weser.
Großdolmen
Die erweiterten Dolmen stellen nach Sprockhoff die „Vorstufe“ der sogenannten Großdolmen dar. Auch bei diesem Typ grenzte er eine ältere mit drei Decksteinen von einer jüngeren Variante mit vier Decksteinen ab. Beide Varianten besitzen ihm zufolge einen Eingang an der Schmalseite, welcher an die „urtümliche“ Form der jüngeren Urdolmen erinnere. Großdolmen registrierte Sprockhoff insbesondere in Nordostdeutschland und auf der Insel Rügen.
Vieleck- bzw. Polygonaldolmen
Auf die erweiterten Dolmen folgten neben den Großdolmen auch die Vieleck- bzw. Polygonaldolmen. Wie der Name bereits andeutet, sind Grabkammern mit mehr als vier Ecken das zentrale Merkmal von Vieleckdolmen. Vereinzelt können Dolmen dieser Art bereits einen in Stein gefassten Gang besitzen. Ein Beispiel für diesen Fall stellt der Brutkamp bei Albersdorf im Landkreis Dithmarschen in Schleswig-Holstein dar. Die Hauptverbreitungsgebiete der Polygonaldolmen befinden sich in Dänemark, Schleswig-Holstein, Mecklenburg sowie auf Rügen und in der Uckermark.
Ältere und jüngere Ganggräber
Auf die Polygonal- und Großdolmen folgten nach Sprockhoff die Ganggräber. Insgesamt grenzte er drei Arten von Ganggräbern voneinander ab: ältere Ganggräber, jüngere Ganggräber und Kammern. Zur Differenzierung dieser Varianten berücksichtigte er neben der Form und Größe der Grabkammer auch die Länge des Ganges. Ein grundlegender Unterschied zwischen Dolmen und Ganggräbern besteht darin, dass der Eingang von Dolmen – wenn er überhaupt vorhanden ist – sich auf der Schmalseite befindet. Der Eingang von Ganggräbern wurde hingegen auf der Längsseite angelegt. Grundsätzlich ging er davon aus, dass im Verlauf der Zeit die Länge der Gänge und die Größe der Grabkammer zunahmen. In diesem Sinne ordnete er Megalithen mit einer kleinen, d. h. bis zu sieben Meter messenden Grabkammer, meist zwei oder drei Decksteinen und einem Gang mit ein bis zwei Steinpaaren der Gruppe der älteren Ganggräber zu.
Die Kammern von jüngeren Ganggräbern hingegen sind bis zu 27 Meter groß und können bis zu 14 Decksteine aufweisen. Ihre Zugänge besitzen mindestens drei Steinpaare. Die Grabkammern der älteren und jüngeren Ganggräber können sowohl oval als auch rechteckig sein. Tendenziell sind nach Sprockhoff ovale Kammern häufiger bei älteren und rechteckige Kammern vornehmlich bei jüngeren Ganggräbern zu beobachten. Die Hauptverbreitungsgebiete der Ganggräber liegen in Mecklenburg-Vorpommern, der Altmark sowie bei Oldenburg und Hannover.
Die Tendenz zu immer größeren Grabanlagen erklärte Sprockhoff dadurch, dass die norddeutschen Megalithgesellschaften nach einer Migration gen Westen auf Vertreter der westeuropäischen Megalithgesellschaften gestoßen waren und deren Grabbauten übertrumpfen wollten: „Die Erbauer der Megalithgräber, die vom nordischen Mutterlande ins Emsland einrückten, kamen als Kulturpioniere und Kolonisten großen Stiles. Solche Völker bevorzugen auch äußerlich groß und gewaltig wirkende Denkmale als Ausdruck ihrer Macht und Zeugnis ihres Reichtums. Außerdem stießen die Einwanderer im oberen Emsgebiet mit der hier weit nach Osten vorgedrungenen westeuropäischen Megalithkultur zusammen, und deren lange Steinkisten mussten für die Nordleute geradezu ein Anreiz sein, es den Erbauern dieser »allées couvertes« unbedingt gleichzutun, auf keinen Fall hinter ihnen zurückzustehen. Es haben sich dann auch beide Gruppen gegenseitig in der Größe ihrer Grabbauten im allgemeinen die Wage gehalten“ (Sprockhoff 1938: 34).
Kammern
Dass Typologien stets einen idealtypischen Charakter besitzen und nicht jedem archäologischen Befund gerecht werden können, zeigt der Umstand, dass Sprockhoff in Nordwestdeutschland eine Vielzahl von Ganggräbern registrierte, die eine für jüngere Ganggräber typische große Grabkammer besitzen, die allerdings mit einem kurzen Gang kombiniert wurden.
Ein weiteres Beispiel für derartige Problematiken ist die dritte Gruppe von Ganggräbern: Ganggräber ohne Gang, die er als einfache Kammern bezeichnete. Megalithen dieser Art besitzen eine lange rechteckige Form mit drei bis zwölf Decksteinen und sind besonders häufig zwischen Weser und Ems anzutreffen. Diese existierten nach Sprockhoff parallel zu den älteren und jüngeren Ganggräbern. Sprockhoff war sich darüber im Klaren, dass es Megalithgräber gibt, die dieser Gruppe nicht eindeutig zugeordnet werden können, d. h. „dass manche der Gräber, die wir heute zu den einfachen Kammern rechnen, tatsächlich der Gruppe der Großdolmen zugewiesen werden müssten“. Hinzu kommt, dass sich die Verbreitungsgebiete beider Typen überschneiden.
Blockkisten
An das Ende der Entwicklungslinie der norddeutschen Großsteingräber stellte Sprockhoff die sogenannten Steinkisten. Im Gegensatz zu den Ganggräbern zeichnen sich Steinkisten dadurch aus, dass sie deutlich kleiner sind und deswegen primär für Einzelbestattungen genutzt wurden. Bei Megalithgräbern dieser Art unterschied er zwischen Block- und Plattenkisten. Blockkisten seien aufgrund ihrer Architektur kaum von Urdolmen differenzierbar. Eine Abgrenzung sei lediglich aufgrund der Beigabeninventare der Bestattungen möglich. Generell datierte Sprockhoff diese Form von Steinkisten an das Ende des Neolithikums. Die Schwerpunkte der Verbreitung dieser Megalithgräber lokalisierte er auf Rügen, in Pommern, in der Uckermark und an der unteren Oder. Sprockhoff ging davon aus, dass die Gräber in Form von Blockkisten den Beginn der „Steinkistenzeit“ markieren und erst etwas später die Plattenkisten verwendet wurden.
Plattenkisten
Kennzeichnend für Plattenkisten ist die Verwendung von flachen Deck- und schmalen Trägersteinen. Diese Gräber datierte er an das Ende des Neolithikums und in die frühe Bronzezeit. Als Hauptverbreitungsgebiete der Plattenkisten nannte er Rügen, Mecklenburg und die untere Oder.
Die Typologie der norddeutschen Megalithgräber von Ernst Sprockhoff hat die deutschsprachige prähistorische Archäologie für Jahrzehnte nachhaltig geprägt. Ausschlaggebend war nicht zuletzt der Umstand, dass es eine der ersten deutschsprachigen Typologien war, welche über die Begriffe Dolmen, Ganggrab und Steinkiste hinausging und diese anhand der damals bekannten Fundstellen aus Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern erläuterte. Trotz dieses Verdienstes stellt sich die Frage, inwiefern die Verwendung der Terminologie von Sprockhoff noch zeitgemäß und sinnvoll ist. Insgesamt sprechen mindestens vier Argumente gegen eine Weiternutzung seiner Typologie.
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