Das Hofplatzmodell

Mit diesem Modell wollten Archäologen eine Antwort auf die Fragestellung geben, wie man einzelne Häuser einer Mineralbodensiedlung datieren und damit die Entwicklung derselben nachvollziehen kann, d.h. wann existierten welche Häuser gleichzeitig? Hölzer erhalten sich nicht in Mineralböden und hinterlassen im archäologischen Befund nur die so genannten Pfostenlöcher. An diesen kann natürlich keine absolute Datierung durchgeführt werden. Sie enthalten keine datierbaren Holzreste und stellen lediglich dunkle Verfärbungen im Befund dar. 

Wie wird also ein Haus datiert, egal ob relativ oder absolut, von dem im Grunde nichts Datierbares mehr übrig ist? In den 80er Jahren formulierten deutsche Prähistoriker (u.a. Andreas Zimmermann & Jens Lüning) das so genannte Hofplatzmodell. Sie hatten zuvor den größten deutschen linearbandkeramischen Siedlungsplatz namens Langweiler 8 archäologisch erschlossen und entwickelten auf der Basis der dort gemachten Erkenntnisse ihr Modell.  

Grundlegende Begriffe des Hofplatzmodells

1. Zunächst gibt es um jedes Haus einen Hofplatz. Dieser beschreibt eine ovale Aktivitätszone, die in einem Radius von 25 Metern um ein jedes Haus herum verläuft. In dieser Aktivitätszone befinden sich zahlreiche Gruben mit unterschiedlichen Funktionen (z.B. Abfall- oder Vorratsgruben) und auch andere Einrichtungen wie Öfen oder Gehege zur Tierhaltung etc. 

 

2. Der Wohnplatz hingegen stellt eine kontinuierlich besiedelte Fläche dar, auf der zu jedem Zeitabschnitt lediglich ein Haus stand. D.h. eine Siedlung besteht aus mehreren Wohnplätzen, auf denen immer jeweils ein Haus existiert, dass mindestens 50 Meter von dem nächsten zeitgleichen Haus entfernt sein muss. Hat eine Siedlung beispielsweise nur 5 Wohnplätze, so können nach dem Modell auch nie mehr als 5 Häuser synchron (zeitgleich) existiert haben. 

 

3. Häuser werden zum einen mit der relativen Chronologie grob datiert: Häuser der älteren Linearbandkeramik mit der signifikanten Y-Pfostenstellung und die Gebäude der jüngere Linearbandkeramik ohne Y-Pfostenstellung. 

 

4. Als nächstes werden die Häuser über die Keramikfunde datiert, welche sich in den umliegenden Gruben innerhalb der festgelegten Aktivitätszone (mit dem Radius von 25m) befinden. Dies setzt allerdings voraus, dass die Gruben der Aktivitätszone synchron zu dem dazugehörigen Haus waren, also nur so lange existierten wie das Haus selbst und mit der Aufgabe des Hauses sofort geschlossen wurden.Nimmt man allein diese Voraussetzungen ernst, dann muss man sich diese Aktivitätszone im schlimmsten Fall als eine Art Kraterlandschaft vorstellen, die besonders für kleine Kinder und bei nächtlichen Spaziergängen durch das Dorf gefährliche Stolperfallen darstellen. Man stelle sich vor, ein Kind stolpert und stürzt einen Meter - oder noch tiefer - auf einen Scherbenhaufen in eine Abfallgrube. Bei genauerer Betrachtung der Grabungspläne (die hier nicht gezeigt werden können) sieht man, dass in einer solchen Aktivitätszone wirklich sehr viele Gruben waren, die zum Teil beträchtliche Größen aufweisen. 

 

Ein Problem des Hofplatzmodells liegt unter anderem darin, dass es nicht mit letzter Sicherheit beweisen kann, dass eine Grube "X" wirklich zu einem Haus "Y" gehört. Es geht davon aus, dass alle Gruben zu einem Haus gehören, wenn sie innerhalb des Hofplatzbereiches liegen. Dies führt zu zwei weiteren kritischen Punkten: Es wurden zum einen selbst in Langweiler 8 Scherben eines Gefäßes in Gruben unterschiedlicher Hofplätze gefunden. D.h. dass nicht zwingend diejenigen Gruben, welche einem Haus am nächsten sind, auch von den Bewohner derselben als Abfallsgruben verwendet wurden. Außerdem ist der Radius von 25 Metern ein empirisches Konstrukt, welches von den Autoren festgelegt wurde aber nicht ausreichend begründet werden konnte.  

Prämissen des Hofplatzmodells

Das Hofplatzmodell geht zudem von 4 weiteren Annahmen aus:1. Dass jedes Haus stets nur einen Vorgänger und einen Nachfolger hatte. Ein Haus soll nicht länger als 25 Jahre existiert haben, was einer Generation von Menschen entspricht. 2. Da Wohnplätze kontinuierlich besiedelt sind, können nicht datierbare Häuser in zeitliche Lücken gesteckt werden, sofern diese sich auftun sollten. 3. Wohnplätze setzen sich aus räumlich geschlossenen Hausgruppen zusammen. 4. Wohnplätze entstehen dadurch, dass neue Häuser in unmittelbarer Nähe zu ihren Vorgängern aufgebaut werden, um die ehemaligen Wirtschaftflächen weiterhin nutzen zu können.

 

Betrachtet man alle diese Annahmen und Prämissen, kann man nur zu dem Schluss kommen, dass das Hofplatzmodell sehr konstruiert wirkt. Schließlich gibt es einige kritische Punkte - sie wurden oben angesprochen - welche nicht für das Modell sprechen. Es ist ein interessanter Ansatz, um die Siedlungsentwicklungen der Bandkeramiker zu rekonstruieren, der jedoch auf einem schwachen Fundament steht, welches erst vor wenigen Jahren ersten Kritiken ausgesetzt wurde. Bis dahin hatten sämtliche Archäologen in Deutschland dies nicht hinterfragt und ohne Bedenken rezipiert.

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