Hausbau im Frühneolithikum

Linearbandkeramisches Haus
Linearbandkeramisches Haus nach Oliver Rück. © Jan Miera. Achtung: das ist eine Skizze!!

Bei den Fragen nach dem Aufbau, der Einwohnerzahl und der "Lebensdauer" bandkeramischer Häuser scheiden sich die Geister. Deshalb sprechen wir dieses Thema auch hier an. Es bietet sich prima an, um einen Einblick in die archäologische Forschung zu gewinnen. Außerdem zeigt es anschaulich, in welche unterschiedlichen Richtungen Interpretationen ein und desselben Befundes gehen können. Traditionell werden Häuser ebenerdig rekonstruiert. Oliver Rück schlägt ein alternatives Hausmodell vor: Häuser mit einer teilweise vom Boden abgehobenen Wohnfläche. Ein Modell davon ist bereits im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle an der Saale zu sehen. Dafür hat er auch überzeugende Belege gefunden. Auch über die "Lebensdauer" und der Einwohnerzahl dieser Gebäude hat er sich Gedanken gemacht. Dieser Text beruht auf seinen Aufsätzen und seiner Dissertation von 2007. Wer sich für bandkeramischen Hausbau und das Siedlungswesen dieser Zeit interessiert, sollte sich mit seinen Thesen beschäftigen.

 

Den Ausgangspunkt zur Rekonstruktion bandkeramischer Häuser stellen die "Pfostenlöcher" dar. Der Begriff und die Entdeckung dieser Befundgattung gehen auf den deutschen Archäologen Carl Schuchhardt (1859-1943). Im frühen Neolithikum baute man seine Häuser aus Holz. Wie jeder weiß, ist Holz ein organisches Baumaterial. Deswegen ist es sehr anfällig auf Witterungsprozesse: es zerfällt mit der Zeit. Da die Bandkeramiker ihre Häuser auf Mineralböden errichteten (vornehmlich waren es Lößböden), ist das Holz bis heute zerfallen und uns nicht mehr erhalten geblieben. Was jedoch erhalten geblieben ist, sind die „Pfostenlöcher“: also die ehemaligen Pfostengruben und -standspuren. Ein Pfosten wurde nicht stumpf in die Erde gerammt. Man hat zunächst eine Grube angelegt und den Pfosten dort hineingestellt. Die Grube wurde anschließend wieder verfüllt, um dem Pfosten Stabilität zu geben. Auf einer Ausgrabung kann unter guten Umständen die dunkel verfärbten Pfostengruben erkennen und mitten darin die Pfostenstandspur. Diese ist noch etwas dunkler als die Grubenverfüllung. 

 

Aber allein aus diesen Verfärbungen kann man nicht sonderlich viel über das Zimmermannswesen der Bandkeramiker herausfinden. Nur durch die Entdeckung einiger weniger Brunnenfunde aus bandkeramischer Zeit wissen wir über das Holzhandwerk der ersten Bauern Mitteleuropas bescheid. Die Brunnen haben sich tief unter der Erde im feuchten Milieu erhalten. Auch fragile organische Abfälle wie Froschknochen oder Insektenpanzer und organische Verzierungen auf bandkeramischen Kümpfen und Schalen haben sich in diesen Brunnen erhalten. Die erhaltenen Holzkonstruktionen der Brunnen bieten einen sehr guten Einblick in das handwerkliche Potential dieser Zeit. 

 

Bei der Untersuchung bandkeramischer Häuser gibt es neben dem Holzzerfall noch weitere Probleme. Eines besteht in der Bodenerosion. Durch die Abtragung von Erde ist der ehemalige „Laufhorizont“, also die Schicht, auf der die Bandkeramiker/innen tatsächlich liefen, nicht mehr erhalten. Darum wissen wir auch nicht, wie der Fußboden und die Raumaufteilung eines solchen Hauses ausgesehen haben – wenn die Häuser überhaupt ebenerdig gebaut wurden. 

 

Bandkeramische Häuser wurden meist auf den lößbedeckten Hochterrassen errichtet, d.h. auf dem oberen Drittel eines zum Wasserverlauf abfallenden Geländerückens. Man hat ganz bewusst Hanglagen aufgesucht, um dort seine Häuser zu errichten. Durch bodenkundliche Untersuchungen konnte nachgewiesen werden, dass durch die starke Bodenerosion die Landschaften im Frühneolithikum viel stärker gegliedert war, d.h. die Täler lagen tiefer und die Hochterrassen waren einige Meter höher. In manchen Gegenden hat eine Abflachung um 50% stattgefunden. Das Gelände hatte in bandkeramischer Zeit ein Gefälle von ca. 15%. Heute sind es nur noch 3-6%. Wenn man sich mit Hausrekonstruktionen beschäftigt, muss man das beachten.

 

 

Jetzt sollte man sich eine logische Frage stellen: warum siedelten Bandkeramiker/innen auf Hanglagen und nicht in Tälern? Ein wichtiger Grund könnte in den klimatischen Umständen liegen. Es gibt zahlreiche Hinweise darauf, dass es im Frühneolithikum überdurchschnittliche Niederschläge gegeben hat. Dafür sprechen folgende Indizien: 

  1. Mächtige Kalkablagerungen aus dieser Zeit.
  2. In Mittel- und Nordeuropa ist für die bandkeramische Zeit die Sumpfschildkröte nachgewiesen worden. Dieses Tier lebt bevorzugt in einem sehr feuchten Klima.
  3. Zweikörniger Einkorn dominiert in der Landwirtschaft. Dieser Einkorn zeichnet sich durch seine Resistenz gegen starke Regenfälle aus. Er bleibt danach noch stehen und geht nicht ein. Das ist aber sein einziger Vorteil. Es gibt viel ertragsreichere Getreidesorten – diese sind aber nicht so witterungsbeständig. Man hat eine Einkornart angepflanzt, die mit überdurchschnittlichen Niederschlägen fertig wurde. 

Auf den oberen Hanglagen, dort wo die Häuser standen, gab es eine maximale Bodentrockenheit. D.h. man hat gezielt überschwemmungsgefährdete Bereiche gemieden und wollte keine nassen Füße kriegen.

 

Durch diese Hanglage und das Gefälle bedingt, haben sich bereits 20-40 Meter langen Häusern messbare Höhenunterschiede von 1-1,5 Metern ergeben. Der Fußboden müsste also schräg gewesen sein, wenn man ihn ebenerdig rekonstruiert. Es ist aber für keine rezente oder ehemalige Gesellschaft/Kultur jemals ein Wohnhaus mit einem dermaßen schrägen Fußboden nachgewiesen worden. Um dies zu verhindern, gibt es nur eine Möglichkeit: der Fußboden war vom Geländeboden abgehoben. Es gibt ethnographische Belege für abgehobene Fußböden. Ein bandkeramisches Haus müsste man sich eigentlich als ein teilweise von Boden abgehobenes Gebäude vorstellen. Der nordwestliche Teil der Gebäude lag vermutlich noch direkt auf dem Gelände auf. Mit dem zunehmenden Gefälle und je nach Hauslänge erhöhte sich der Abstand zum Boden im südöstlichen Hausteil kontinuierlich. Im Südwestteil der Langhäuser gibt es zusätzliche Pfosten (Doppelpfostenstellungen), um die Statik aufrecht erhalten zu können. Wenn der Abstand zum Laufhorizont zu groß und damit die Last auf den Pfosten erhöht wurde, mussten zusätzliche Pfosten eingebaut werden. Im Nordwestteil der Gebäude gibt es immer einen kleinen Wandgraben. Bedenkt man die hohen Niederschläge, dann kann er eine Schutzfunktion dieses Gebäudeteils gehabt haben – vor dem abfließendem Oberflächenwasser.

 

 

Man kann dem bandkeramischen Hausbau nicht gerecht werden bzw. nicht richtig deuten, wenn man allein auf die Tiefe und Anordnung der „Pfostenlöcher“ achtet. Das sind zu wenige Informationen, um eine zuverlässige Rekonstruktion erstellen zu können. Erst unter der Berücksichtigung eines weitaus größeren Kontextes kann man sich dem bandkeramischen Hausbau annähern. Traditionell wurden/werden bandkeramische Häuser ebenerdig rekonstruiert. Wenn man aber die topografische Lage der Siedlungen bedenkt – das wäre die obere Hanglage – und auf weitere Faktoren wie Niederschläge, Bodenerosion und ethnographische Parallelen achtet, dann kommt man zu anderen Ergebnissen. 

"Lebensdauer" der Häuser

Bisher geht man davon aus, dass ein Haus etwa 25 Jahre lang existierte und anschließend aufgegeben wurde. Diese Zahl hat sich in der Literatur festgesetzt. Sie wird oft genannt aber nicht in Frage gestellt. Der Archäologe Moddermann hat sich mit bandkeramischem Hausbau und Siedlungswesen beschäftigt. Als er sich über die Dauer einer Siedlung Gedanken machte, musste er sich mit der Dauer ihrer Einheiten - also mit der Dauer der Häuser - auseinandersetzen. Basierend auf seinen Siedlungsgrabungen von Elsloo und Stein kam er auf 25 Jahre. 

Die Entwickler des Hofplatzmodells (Siedlung "Langweiler 8") kamen zu dem Schluss, dass sich diese Siedlung in 14 Phasen gliedern lies - diese 14 Phasen wurden allerdings mit dem Hofplatzmodell ermittelt. Durch 14C-Datierungen wussten sie, dass "Langweiler 8" in die Zeit von 5300 bis 4950 v.Chr. datierte. Die Siedlung hatte also ungefähr 350 Jahre existiert und diese Zahl lässt sich prima durch 14 Siedlungsphasen teilen. Man kommt zu dem Ergebnis, dass jede Phase genau 25 Jahre lang existierte. Damit konnten sie Moddermann bestätigen. Die Frage ist nur: kann man wirklich annehmen, dass jede der 14 Phasen genau 25 Jahre andauerte? Nein. Diese Herleitung geht auf ein konstruiertes Modell von Hofplätzen zurück, welches kritisch hinterfragt werden muss (siehe unten). Es berücksichtigt die Grundlage der Häuser gar nicht: das Holz selbst. Die Haltbarkeit des Eichenholzes an sich wird nicht in die Überlegungen einbezogen.

 

Rück hat sich in der Literatur noch etwas mehr umgesehen und kommt zu einem anderen Ergebnis. Britische Forscher haben sich mal die Mühe gemacht und einen Haltbarkeitstest von Holz gemacht. Der entsprechende Pfosten war nur 5 x 5 cm dick und hielt 27 Jahre. Bandkeramische Pfosten waren aber 20 bis 30 cm dick. Daraus lässt sich eine Dauerhaftigkeit von 100 bis 160 Jahren ermitteln. Es gibt lebensgroße Hausmodelle in Freilichtmuseen, die bereits 1970 erbaut und heute noch keine Anzeichen von Verrottungen haben. Auch aus rein ökonomischer Sicht ist es nach Rück besser, wenn man sein Holzhaus regelmäßig wartet. Eine Instandhaltung ist längst nicht so arbeitsintensiv wie ein Neubau und erhöht zudem die Dauerhaftigkeit des Gebäudes. Archäologisch können Hauserweiterungen und Reparaturen in vielen Fällen nachgewiesen werden. Unter diesen Aspekten darf man eine sehr lange Nutzungsdauer dieser Häuser annehmen, bei der ein Gebäude auch ein Jahrhundert lang bewohnt wurde.

Anzahl der Hausbewohner

Die Auswerter von "Langweiler 8" ermittelten 6,25 Bewohner pro Haus. Angesichts der tatsächlichen Gebäudegröße und des entsprechenden Innenraums muss mit weitaus mehr Einwohnern gerechnet werden. Ein frühneolithisches Haus mit einer Länge von 35 und einer Breite von 10 Metern war nichts Besonderes. Das ergibt eine Innnenfläche von 350m². Bei 6 Personen hätte jeder fast 60m² für sich. Für diese äußerst großzügigen Wohnverhältnisse gibt es keine ethnologischen Belege. Eher im Gegenteil: Oliver Rück zitiert einige ethnographische Beobachtungen und schließt sich Walter Meier-Arendt an, der bereits 1979 darauf hingewiesen hat, dass 30 Personen und mehr in einem Langhaus weitaus wahrscheinlicher sind als 6 bis 7.

Verwendete Literatur

Autor Titel Seite
Lüning et al. Der bandkeramische Siedlungsplatz Langweiler 8. Gemeinde Aldenhoven, Kreis Düren -
Hoffmann / Bickle Creating Communities: New Advances in Central European Neolithic Research 158-184
Rück Neue Aspekte und Modelle in der Siedlungsforschung zur Bandkeramik: Die Siedlung Weisweiler 111 auf der Aldenhovener Platte, Kr. Düren 95-137
Rück Zur Lage bandkeramischer Siedlungsplätze West- und Süddeutschlands - Überlegungen zum Hausbau. Archäologisches Korrespondenzblatt 34, 2004 309-320
Schmidt / Gruhle / Rück Klimaextreme in bandkeramischer Zeit (5300 bis 5000 v. Chr.). Archäologisches Korrespondenzblatt 34, 2004 303-307
Schmidt / Gruhle / Rück / Freckmann Zur Dauerhaftigkeit bandkeramischer Häuser im Rheinland (5300 bis 4950 v. Chr.) - eine Interpretation dendrochronologischer und bauhistorischer Befunde. RGZM Tagungen Band I, 2005 151-170

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