Die Radiokarbonmethode

Die Radiokohlenstoffdatierung wurde von Frank Libby "erfunden". Die Methode erfand er in den 40er Jahren, als er archäologische Funde genauer datieren wollte. Bis dahin hatte man dies nur über die Archäologisch-Historische-Methode getan und auf deren Grundlage ein umfassendes Chronologiegerüst aufgebaut. Datierungen, die mit dieser Methode gewonnen wurden, waren jedoch nicht über jeden Zweifel erhaben. Man könnte vielmehr von Annäherungswerten sprechen. Die Radiokarbonmethode von Libby sollte diese veralteten Daten in den folgenden Jahrzehnten, nach ihrer Etablierung, zu größeren Teilen korrigieren. Gerade die errechneten Daten zum Neolithikum und der Bronzezeit wurden durch Libby's Methode maßgeblich ausgebessert.

Man hatte bis zum Zeitpunkt der erstmaligen Anwendungen der Radiokarbonmethode aufgrund archäologischer Funde angenommen, dass das Neolithikum Europas erst um 3000 v. Chr. angefangen habe. Libby's Methode zeigte auf, dass man sich geirrt hatte und das Neolithikum schon zwischen 6000 und 5000 v. Chr. in Europa begonnen hatte.


Zur Radiokarbonmethode gibt es eine eigene Zeitschrift: Radiocarbon.

Die Grundlagen

Die in der kosmischen Strahlung frei schwebenden Neutronen reagieren mit Stickstoff-14-Kernen, welche dadurch zur Bildung des radioaktiven Isotops 14-C angeregt werden. Dieses radioaktive Isotop 14-C ist in unserer Atmosphäre enthalten und gelangt durch Fotosynthese in alle Pflanzen und Tiere, die diese Pflanzen essen sowie in alle weiteren Tiere, die wiederum diese Tiere essen usw., so dass es letztlich, durch direkte oder auch indirekte Aufnahme, in allen Lebewesen enthalten ist.

 

Solange ein Wesen lebt, nimmt es regelmäßig 14-C auf, das zwar auch schon zu dessen Lebezeiten zerfällt aber durch die ständige Neuaufnahme ausgeglichen wird. Verendet ein Lebewesen, so kann der aktuelle Gehalt nicht mehr aufrechterhalten werden und das 14-C zerfällt mit einer Halbwertszeit von 5730 Jahren.

 

Findet ein Archäologe Knochen dieses Tieres, dann kann er diese an ein Labor schicken. Dort kann man ihm anschließend das Alter der Knochen berechnen. Der Rechenvorgang an sich ist sehr simpel. Mit einem Massenspektrometer (AMS, Accelerator Mass Spectrometry) oder mittels eines radiometrischen Messverfahrens kann genau ausgezählt werden, wie viel 14-C noch in den Knochen enthalten ist und über die bekannte Halbwertszeit ist man dazu in der Lage, den Zeitpunkt zu berechnen, an dem die 14-C-Aufnahme abgebrochen wurde - der ungefähre Todeszeitpunkt, wenn man so will. Das Wort "ungefähr" wurde eben deshalb verwendet, weil es bei der Datierung eine unvermeidbare Standardabweichung, nämlich einen statistischen Messfehler gibt. Das heißt, dass der Archäologe zwar eine absolute Zahl vom Labor enthält, die allerdings diesem Messfehler unterliegt und daher etwas streut. Diese Streuung ist heute weitgehend eingedämmt, liegt aber immer noch bei +/- 25 bis 50 Jahren oder in sehr günstigen Fällen bei +/- 10 Jahren. Das Labor kann dem Archäologen beispielsweise sagen, dass die Knochen von dem Tier XY mit einer Wahrscheinlichkeit von 67% auf 3250 +/- 50 BP datieren.

Radiokarbonmethode: Entstehung und Verteilung von 14C in der Umwelt
Radiokarbonmethode: Schaubild zur Entstehung und Verteilung von 14C in der Umwelt, Grafik © Jan Miera 2009.

Radiokarbondatierung im Internet

Name Typ Link
CalPal Programm www.calpal.de
Oxford Radiocarbon Accelerator Unit Programm c14.arch.ox.ac.uk
Beta Analytic Labor radiocarbon.com
Leibniz Labor für Altersbestimmung und Isotopenforschung Labor leibniz.uni-kiel.de
Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie gGmbH Labor cez-archaeometrie.de

Frank Libby's Problem

Der Ausgangspunkt für die Radiokohlenstoffdatierung ist das Jahr 1950. Alle bestimmten 14-C-Daten wurden mit BP (Before Present) angegeben. Das Wort "Present" bezieht sich also auf das Jahr 1950. Im Gegensatz hierzu werden kalibrierte Daten mit cal BP (calibrated Before Present) angegeben.

 

Es gibt ein Problem mit den von Libby errechneten Daten. Er nahm für das 14-C eine Halbwertszeit von 5568 Jahren an. Heute wissen wir, dass die Halbwertszeit jedoch bei 5730 Jahren liegt. Die Folge davon ist, dass alle 14-C-Daten von Frank Libby zu jung sind. Außerdem ist das von ihm bestimmte konventionelle 14-C-Alter nicht kalibriert. Deswegen wird bei seinen Daten stets ein +/- und die Standardabweichung angehängt.

Diese Abweichung wird entweder mit +/- 50 (1-Sigma) oder +/- 100 (2-Sigma) angegeben, z.B. 2900 +/- 50 BP. Bei diesem Beispiel von 2900 +/- 50 BP ist gemeint, dass bei mehrfacher Untersuchung derselben Probe rund 67% der Ergebnisse in dem Zeitraum zwischen 2850 und 2950 liegen. Wird die Standardabweichung mit 2-Sigma (also +/- 100) angegeben, dann liegen 95% der Messergebnisse in dem Intervall von 2800 bis 3000 BP.

Auch wenn das konventionelle 14-C-Alter nicht direkt mit den Kalenderjahren überstimmt, muss es dennoch in wissenschaftlichen Publikationen mit seiner Standardabweichung, der Labornummer, dem Anfangs- sowie Endjahr des kalibrierten Intervalls (z.B. 1678-1895 cal BP) sowie dem verwendeten Programm mit der Kalibrierungskurven zur Bestimmung der Daten angegeben werden. Die konventionellen Daten werden deswegen angegeben, damit sie in Zukunft wieder verwendet werden können, wenn es genauere Kalibrierungskurven oder Methoden gibt.

Die Kalibrierung des 14-C-Alters

14C-Kalibrierung
Schaubild zur 14C-Kalibrierung.

Alle 14-C-Daten sind ohne Kalibrierung mit Vorsicht zu genießen. Zum Beispiel im Zeitraum von 4000 bis 8000 Jahren vor heute sind die konventionellen 14-C-Alter bis zu 1000 Jahre jünger als sie eigentlich alt sein sollten. Der Grund für dieses Phänomen liegt darin, dass der 14-C-Gehalt in der Atmosphäre Schwankungen ("wiggle" genannt) unterliegt. Diese Schwankungen sind einerseits natürlichen Ursprungs und lassen sich auf den Geomagnetismus und die Aktivität der Sonne zurückführen. Insbesondere sind hier Sonnenflecken und die kosmische Strahlung zu erwähnen. Derartige Schwankungen der 14-C-Kurve sind logischer Weise nicht für die Archäologie verwendbar und müssen dringend kalibriert (geeicht) werden, weil diese errechneten konventionellen "C-14-Alter" nicht unseren Kalenderjahren entsprechen. Hierzu wird auf die Dendrochronologie zurückgegriffen.


Zur Kalibrierung (wird auch als "Wiggle-matching" bezeichnet) der Radiokarbonmethode werden Baumringe aus der Dendrochronologie verwendet. Ein Baum legt im besten Fall pro Jahr einen neuen Jahrring an. In diesen Ringen sind diverse Informationen über sein Wachstum und das Klima, die Feuchtigkeit aber auch 14-C enthalten. Zunächst bestimmt ein Forscher den heutigen 14-C-Gehalt eines Baumringes aus einer archäologischen Grabung. Das Alter des gefunden Baumstückes kann er über die Dendrochronologie im besten Fall jahrgenau datieren. Jetzt kennt er den heutigen 14-C-Gehalt des Fundstückes und dessen dendrochronologisches Alter. Über die Halbwertzeit von 5730 Jahren kann er nun den 14-C-Gehalt, der zum Zeitpunkt seines Absterbens/Fällens etc. aktuell war, ausrechnen. Erst jetzt weiß der Forscher, welchen 14-C-Gehalt die Atmosphäre in dem Dendrojahr "XY" hatte. Um eine Kalibrierungskurve aufzustellen, kann von jedem dendrodatierten Jahrring der heutige 14-C-Gehalt bestimmt und über die Halbwertszeit der damalige Gehalt in der Atmosphäre bestimmt werden. Die Dendrochronologie geht rund 12.400 Jahre in die Vergangenheit zurück. Das heißt, wir haben heutzutage eine zuverlässige Kalibrierungskurve, die bis in die Mitte des 13. Jahrtausends vor Christus zurück reicht. 

Findet ein Archäologe beispielsweise eine Bestattung, dann kann er zunächst das konventionelle 14-C-Alter der darin enthaltenen Knochen bestimmen und dieses an der Kalibrierungskurve eichen. 

Insgesamt reicht die 14-C-Methode bis zu 50.000 Jahre (9 Halbwertszeiten) zurück.

Messfehler

Eine absolute Datierung mit der 14C-Methode ist nur dann möglich, wenn man die gewonnenen Daten korrekt interpretiert. Dazu muss genau darauf geachtet werden, unter welchen Voraussetzungen die Daten erzielt wurden. 

Reservoir- bzw. Hartwasser-Effekt

Unter Umständen kommt es vor, dass die Ausgangskonzentration eines zu datierenden Gegenstandes nicht diejenige der Atmosphäre, sondern die eines anderen (größeren) Kohlenstoffreservoirs ist. So setzt sich beispielsweise jene gelöste Kohlensäure, welche zur Datierung von verwendet wird aus dem Carbonat des Untergrundes, das vor sehr langer Zeit gebildet wurde, also kein 14C enthält, und dem durch den Zerfall von Pflanzen im Boden entstandenem Kohlendioxid zusammen. Wenn man diesen Umstand bei der Altersbestimmung nicht berücksichtigt, wird ein (viel) zu große Alter ermittelt. Deshalb kommt es häufig vor, dass Fische bei extrem hohes 14C-Alter erhalten, die in der Antarktis gefangen wurden, derweil sie über die Nahrungskette Kohlenstoff aus Wasser aufnehmen, das sich aus sehr alten Eismassen bildet.

Suess-Effekt

Der nach Hans Suess benannte Suess-Effekt beschreibt den Einfluss der Industrialisierung auf den 14C-Gehalt in der Atmosphäre. Mit Beginn der Industrialisierung im 19. Jahrhundert wurden vermehrt fossile Brennstoffe wie Erdöl und Kohle verwendet, welche aufgrund ihres hohen Alters kein nachweisbares 14C mehr enthalten, da sie erheblich älter als ca. 10 Halbwertszeiten (ca. 60.000 Jahre) sind. Bei deren Verbrennung werden nur die nicht radioaktiven Stoffe 12C und 13C freigesetzt und "verdünnen" die Menge des radioaktiven 14C in der Atmosphäre. Durch diese "Verdünnung" des 14C in der Atmosphäre kommt es zu einem verringerten Ausgangswert des 14C in den Organismen, was bei der Berechnung des 14C-Alters berücksichtigt werden muss.

Kernwaffen-Effekt

Durch die Einsätze und atmosphärischen Tests von Kernwaffen zwischen 1945 und 1963 wurde die Menge an 14C in der Atmosphäre sehr stark erhöht. Bis heute ist das 14C/12C-Verhältnis noch nicht wieder auf den Wert vor 1945 gesunken. Damit kann folglich die bisher angewandte Formel zur Bestimmung des 14C-Alters in diesem Zeitraum nicht angewendet werden. Allerdings gibt es für jedes Jahr Referenzproben, und aufgrund der starken Schwankung können Proben auf ±1 Jahr genau datiert werden.

Verwendete Literatur

Autor Titel Seite
Brockhaus Der Brockhaus Archäologie 503
Cunliffe The Oxford Illustrated History of Prehistoric Europe (Oxford Illustrated Histories) 41
Czebreszuk/Müller (Hrsg.) Die absolute Chronologie in Mitteleuropa 3.000-2.000 v.Chr. / The Absolute Chronology of Central Europe 3.000-2.000 B.C. -
Eggers Einführung in die Vorgeschichte 197f.
Eggert Prähistorische Archäologie 160-163
Eggert / Samida Ur- und Frühgeschichtliche Archäologie. UTB basics 82-88
Lang Klassische Archäologie 154
Stuiver (Hrsg.) Radiocarbon, Volume 28, 2B, 1986 805-1022
Randsborg (Hrsg.) Absolute chronology: archaeological Europe 2500-500 BC. Acta archaeologica 67, Supplementum 1 (Kæbenhavn 1996) -
Taylor/Bar-Yosef Radiocarbon dating: an archaeological perspective (Walnut Creek 2014) -
Trachsel Ur- und Frühgeschichte 200-210
Wagner (Hrsg.) Einführung in die Archäometrie 3-9

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