Im Mittelneolithikum "zerfällt" die Linearbandkeramik in zahlreiche Untergruppen, die sich über Europa verstreuen. Neben dieser Auflösung und Herausentwicklung vieler neuer Kulturen, tritt ein neues Phänomen in Erscheinung: Kreisgrabenanlagen. Sie richteten sich in der Regel mit ihrem Aufbau nach der Wintersonnenwende. Die Anlagen konnten sehr unterschiedliche Formen gehabt haben. Für die Stichbandkeramik wurden 24 verschiedene Kreisgrabentypen registriert. Bei ein paar davon ist man sich nicht zu 100% sicher, ob sie dieser Kultur angehören. Wichtig ist auf jeden Fall, dass diese Anlagen nicht überall gleich ausgesehen haben. Manche hatten nur einen Ring, andere gleich drei usw.
Aus der Linearbandkeramik entwickelte sich ca. um 4900 v. Chr. die Stichbandkeramik. Der Übergang zwischen den beiden Kulturen ist fließend und keineswegs abrupt gewesen. Das kann man anhand der Tonwaren der späten Bandkeramik erkennen. Die Verzierungen deuten einen Wandel an, der dann in der stichbandkeramischen Kultur mündet. Deren Hauptverbreitungsgebiet ist der mitteldeutsche Raum und Böhmen. Wie schon in bandkeramischer Zeit werden die Siedlungen bevorzugt auf Lössböden in Gewässernähe errichtet.
Woran kann man diese Kultur materiell festmachen? Typisch ist für die Keramikverzierung der so genannte Doppelstich. In seltenen Fällen treten sogar Bemalungen der Gefäße auf. Daneben werden Tiergefäße häufiger hergestellt. Auch anthropomorphe Motive, also "menschenartige" Darstellungen kommen vereinzelt auf und in Gefäßen vor. Beim Häuserbau gibt es neben rechteckigen Grundrissen von bis zu 36m Länge auch trapezartige sowie schiffsförmige Formen mit einer Betonung des Eingangbereiches. Eine Veränderung der Grundrissform kann auf neue Dachkonstruktionen hinweisen.
Der Bestattungsritus zeichnet sich dadurch aus, dass die Verstorbenen nicht nur in Körperbestattungen beigesetzt wurden. In Böhmen verbrannte man die Toten überwiegend. Im mitteldeutschen Raum dominieren geschlechtsunspezifische Hockerbestattungen. Anhand der Ausrichtung und Blickrichtung der Toten kann also nicht auf ein Geschlecht geschlossen werden. Beigesetzt wurden die Verstorbenen in Einzelgräbern sowohl in Böhmen als auch in Mitteldeutschland. Die Grabbeigaben waren eher schlicht. In den meisten Fällen wurden Alltagsgegenstände aus Stein wie Beile, Schuhleistenkeile oder Mahlsteine in die Gräber gelegt. Schmuck und Trachtbestandteile waren die Ausnahme.
Es gibt sehr wenige Sekundär- und Teilbestattungen. Auffällig ist jedoch, dass diese nicht auf Gräberfeldern, sondern innerhalb des Siedlungsareals durchgeführt wurden.
Diese Kultur wurde soweit untersucht, dass sie in vier Stufen gegliedert werden kann. Diese Stufen sind in den beiden Regionen etwas unterschiedlich. D.h. die Stichbandkeramik veränderte sich nicht überall zur selben Zeit, sondern regional.
Im Südostbayrischen Raum verwendeten die Neolithiker für ihre Langhäuser auffallend weniger Pfosten und ließen die Längsgruben entlang der Hauswände verschwinden, weshalb man diese Merkmale unter der eigenständigen Kultur, dem Südostbayrischen Mittelneolithikum (SOB) zusammenfasst.
In einer anderen Region wurden unter anderem so genannte Bauchknickgefäße und Zipfelschalen gefunden, zu denen noch eine bänderartige Stichverzierung trat. Nach dem eponymen Fundplatz in Großgartach wurden diese Charakteristika als die Großgartach-Kultur eingeordnet.
Auf einem Gräberfeld bei Rössen zeichneten sich die Grabbeigaben durch oft auftretende Kugelbecher aus. Die Verzierung der Keramik ist sehr flächig und teppichartig ausgeführt. Als besonderer Schmuck konnten dicke Mamorringe festgestellt werden. Dieser Kultur zugeschriebene Häuser sind trapezförmig und haben einen offenen Vorraum.
Bei Lengyel entdeckte man Keramik, die ausschließlich bemalt war und deren Formen sich über ein großes Gebiet verteilten, weshalb man von einer Lengyl-Kultur spricht. Die Kultur ist in der Tat über ein so großes Gebiet verbreitet, dass sie mehrere Chronologiesysteme besitzt. Lengyel-Keramik wurde in der Slowakai, Mähren, Kroatien, Ungarn, Polen und Bayern gefunden.
Autor | Titel | Seite |
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Dohrn-Ihmig | Neolithische Siedlungen der Rössener Kultur in der Niederrheinischen Bucht | - |
Fansa | Wohin die Toten gehen | 13-36 |
Pavúk/Karlovsk | Astronomische Orientierung der spätneolithischen Kreisanlagen in Mitteleuropa. Germania 86, 2008 | 465-502 |
Schnurbein | Atlas der Vorgeschichte | 60 |
Trachsel | Ur- und Frühgeschichte | 55-65 |
Wolf-Schuler | Untersuchungen zur Chronologie und strukturellen Entwicklung der Kultur mit Stichbandkeramik | 571-587 |
Badisches Landesmuseum | Ur- und Frühgeschichte: Führer durch die archäologische Abteilung | 28-60 |
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