Was ist Archäologie?

Ausschnitt aus den Höhlenmalereien von Lasceaux. Foto von Prof. Saxx/Wikimedia.commons

Einleitung

Vogelherd Pferdchen
Statuette eines Wildpferdes aus dem Aurignacien der Vogelherd-Höhle (Baden-Württemberg). Zeichnung © Jan Miera 2014.

"Archäologie" lässt sich etymologisch auf das griechische Wort archaiología zurückführen. Es setzt sich aus archaíos (= alt) und lógos (= Wissen, Lehre) zusammen. Übersetzt bedeutet es soviel wie „das Wissen von den alten Dingen“. Mit den „alten Dingen“ ist nach Manfred K. H.  Eggert >>der historische Mensch samt seiner materiellen und immateriellen Hervorbringungen<< gemeint (hierzu Eggert 2006). Dieses Wissen wird von Archäolog*innen bewahrt und ergänzt. Dazu werden alle erfassbaren Hinterlassenschaften aus der Vergangenheit untersucht. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen Methoden und Theorien gefunden werden, mit denen Quellen aus der Vergangenheit erkannt, erfasst, ausgewertet, bewahrt und präsentiert werden können. Das Ausgraben allein ist nur ein kleiner Teil der Tätigkeiten, die bei der Erforschung vergangener Kulturen anfallen. 
 
Heutzutage arbeiten Archäolog*innen transdisziplinär, d. h. Hand in Hand mit anderen Wissenschaften. Häufig werden internationale Forschungsgemeinschaften gegründet, um sich einer Fragestellung zu widmen. 

Welche archäologischen Berufe gibt es?

Mit einem abgeschlossenen Hochschulstudium in einer archäologischen Disziplin kann man an Hochschulen lehren/forschen, für Verlage, Zeitschriften, Denkmalämter, Museen und Grabungsfirmen arbeiten oder freiberuflich tätig werden. Für Absolvent*innen mit einer Promotion stehen alle Türen offen. Es gibt an Hochschulen, Denkmalämtern und Museen nur wenige Stellen und diese werden vorzugsweise mit qualifizierten Fachkräften besetzt. Dagegen stellen Grabungsfirmen auch Bachelorabsolvent*innen als Grabungstechniker*innen ein. 
Die Zahl der Studienanfänger*innen in den letzten Jahr stark angestiegen, dagegen werden die zu besetzenden Stellen stetig gekürzt. Wer nach dem Studium archäologisch tätig werden möchte, sollte sich bestmöglich qualifizieren (z. B. Promotion). 
 

Gibt es überhaupt noch etwas zu finden?

Ja! Die ältesten Artefakte von Menschen sind 2.600.000 Jahre alt und stammen aus dem Altpaläolithikum. Von diesem Zeitpunkt an hat sich die menschliche Population zusehends vermehrt, über die Welt verteilt und ein immer größer werdendes Repertoire an Artefakten und Befunden hervorgebracht. Es gibt also immer etwas auszugraben und auszuwerten! Leider werden hierfür die nötigen Mittel nicht immer bereitgestellt. Archäologische Arbeit scheitert also nicht an einem Mangel an Fundplätzen zum Ausgraben sondern an „Geldnot“, wenn überhaupt. 

Was finden Archäolog*innen?

Porsmose-Mann
Auch Spuren ur- und frühgeschichtlicher Gewalt können am Skelettmaterial nachgewiesen werden, zum Beispiel an diesem neolithischen Schädel aus Porsmose (Dänemark). Zeichnung © Jan Miera 2011.

Wenden wir uns einmal den archäologischen Quellen zu. Damit sind nicht nur die Knochen von unseren Vorfahren gemeint, sondern auch die Artefakte und Befunde, die sie erzeugt und uns hinterlassen haben. Während Artefakte konkrete Objekte sind (z. B. ein Schwert), handelt es sich bei Befunden um Strukturen, die durch Eingriffe in den Boden entstanden sind. Ein Befund kann eine Grube oder ein Rennfeuerofen sein. Menschliche Aktivitäten können aber auch indirekt nachgewiesen werden. Wenn keine Artefakte oder Befunde vorhanden sind, kann allein anhand von Getreideresten und Tierknochen die Anwesenheit von Menschen bewiesen werden. An Samen und Knochen können Archäobotaniker*innen und Archäozoolog*innen erkennen, ob ein Getreide bzw. ein Tier domestiziert wurde. An einem Knochen kann man anhand von Hack- und Schnittspuren erkennen, ob und wie ein Tier gejagt und getötet wurde.


Moderne Untersuchungsmethoden ermöglichen es sogar, jahrtausende alte Speisereste erkennen zu können, die man mit dem bloßen Auge nicht sehen kann.

Was dokumentieren Archäolog*innen?

Bei einer Ausgrabung werden alle Hinterlassenschaften aus der Ur- und Frühgeschichte zerstört, die wir nicht kennen. Während einer Grabung erkennen wir Dinge und diese dokumentieren wir. Aber diejenigen Dinge, von denen wir nicht wissen, dass sie uns etwas über die Vergangenheit erzählen können, dokumentieren wir nicht. In diesem Sinne wir können nicht "alles" festhalten, was uns überliefert wird, sondern nur einen Ausschnitt dessen. Auf dieser Basis rekonstruieren wir Prozesse aus der Vergangenheit. Archäolog*innen sind deswegen bemüht, mit anderen Wissenschaftler*innen zusammenzuarbeiten und Methoden zu finden, mit denen wir mehr Daten aus den archäologisch erfassbaren Quellen gewinnen können.

 

Zum Beispiel wurden bis in das 20. Jahrhundert hinein keramische Fragmente von Ausgrabungen oftmals weggeworfen, weil man glaubte, diese nicht weiter untersuchen zu können. Dasselbe gilt für postkraniale Skelette, also alle Knochen vom Schädel abwärts. Auch diese wurden nicht immer aufbewahrt, weil man nicht wusste, welche Aussagen sie uns über prähistorischen Menschen geben konnten. Leichenbrände wurden ebenfalls weggeworfen, weil man bis in die 1930er Jahre sich nicht eingehend damit befasst hatte und davon ausging, dass aus solch kleinen Knochenstücken keine Informationen zu gewinnen seien.

Wie findet man Artefakte bzw. Befunde?

Physikalische Prospektion
Archäologe bei einer physikalischen Prospektion.Tapatio/Wikimedia.commons

Materielle Hinterlassenschaften aus der Vergangenheit liegen zum Teil noch (oder inzwischen wieder) an der Oberfläche – man muss sie nur aufheben. Besonders auf landwirtschaftlich genutzten Flächen liegen Artefakte zum Teil an der Luft. Ehrenamtliche Denkmalpfleger*innen führen Feldbegehungen durch und dokumentieren, wo sie was gefunden haben. Anschließend teilen sie dem Denkmalamt ihre Entdeckungen mit.

Durch das Umpflügen gelangen sie aus dem Erdreich zurück an das Tageslicht. Natürlich befinden sie sich in diesem Fall nicht mehr in ihrer ursprünglichen Lage, d. h. in der Position, in der sie einst niedergelegt oder von ihren Besitzer*innen weggeworfen wurden. Der Pflug greift ca. 30 cm in den Boden ein. Er reist sämtliche Artefakte aus dieser Tiefe mit sich und zerstört sie gegebenenfalls sogar. Durch den Einsatz von schweren Gerätschaften und Düngermitteln können auch Befunde gefährdet werden. Wenn noch rechtzeitig erkannt wird, dass eine potentielle Fundstelle gefährdet ist, wird sie archäologisch erschlossen – sofern hierfür die notwendigen Mittel bereitstehen.

 

Mittels archäologischer und physikalischer Prospektionsmethoden kann eine Fundstelle erschlossen werden. Was sind das für Methoden? Unter einer archäologischen Prospektion versteht man das schlichte systematische ablaufen einer zuvor festgelegten Fläche. Archäolog*innen stecken eine quadratische Fläche auf einem Acker ab und laufen diese in mehreren Bahnen ab. An der Oberfläche befindliche Artefakte werden mit dem Auge erkannt, schriftlich dokumentiert und anschließend aufgesammelt. Je nach den technischen Möglichkeiten werden sie vor Ort dreidimensional eingemessen.

Bei physikalischen Prospektionen werden mit technischen Gerätschaften ausgewählte Flächen untersucht. Sie ermöglichen es, unter die Erde zu schauen, ohne dabei graben zu müssen.

Warum gibt es Ausgrabungen?

Der Kontext ist wichtig! Materielle Hinterlassenschaften wurden und werden in einem spezifischen Kontext hergestellt und verwendet. Wenn man etwas über die Verwendungsweise eines Objektes erfahren will, kann man es nach Gebrauchsspuren untersuchen. Betrachtet man ein Beil allein, so kann man Aussagen über dessen Beschaffenheit und Benutzungsweise machen. Viel mehr erfährt man jedoch über ein Artefakt, wenn man den Fundzusammenhang kennt. Findet man das Beil jedoch in einem Grab neben dem Skelett eines jungen Mannes, dann erfährt man sogar noch etwas über die Rolle des Artefaktes in der Gesellschaft, die es hergestellt und verwendet hat. Wenn wir heute ein solches Beil betrachten, machen wir dies mit ganz anderen Augen. Unser Blickwinkel ist völlig unterschiedlich von dem der neolithischen Bauern. Wenn wir uns dem tatsächlichen Leben und den Gedankenwelten prähistorischer Menschen annähern wollen, dann müssen Grabungsmethoden angewandt werden, die den Kontext eines Artefaktes möglichst genau festhalten. Jeder Fundplatz kann nur einmal ausgegraben werden. Danach ist er nicht mehr vorhanden.

Zum Beispiel: ein spätbronzezeitlicher Goldhut wie der ca. 70 cm hohe Berliner Goldhut ist ein überaus imposantes und interessantes Artefakt. Allein sein Anblick wirft viele Fragen auf. Wie wurde er hergestellt? Wer hat ihn getragen und ist es überhaupt ein Hut? Aber weil es aus dem Kunsthandel stammt und der Fundzusammenhang nicht bekannt ist, weiss man bis heute nicht, in welchem Rahmen und wie er von wem benutzt wurde. Wir wissen nur, dass es ihn gibt und können aus seiner Verzierung schlussfolgern, dass darauf wahrscheinlich ein Kalendersystem abgebildet ist. Das ist zu wenig. Nur durch eine wissenschaftliche Ausgrabung mit einer adäquaten Dokumentation hätte man verstehen können, welche Bedeutung der Goldhut wirklich gehabt hatte. Diese Chance ist uns allen entgangen.

 

Wie tief liegen Funde unter der Erde?

Selbst jungsteinzeitliche Artefakte aus dem 6. Jahrtausend v. Chr. befinden sich im so genannten Pflughorizont. Damit sind die ersten 30 cm unter der Erde gemeint. So tief dringt ein Pflug in den Boden ein, wenn ein Acker umgepflügt wird. Beim Umpflügen werden die Artefakte auf jedem Fall aus ihrem Kontext entrissen, gelegentlich zerstört und an die Erdoberfläche transportiert.

 

Literaturtipps

Autor Titel Thema
M. K. H. Eggert Prähistorische Archäologie 7-29
M. K. H. Eggert Archäologie: Grundzüge einer Historischen Kulturwissenschaft (Uni-Taschenbücher M) 1-27
M. K. H. Eggert / S. Samida Ur- und Frühgeschichtliche Archäologie. UTB basics 5-29
C. Renfrew / P. G. Bahn Basiswissen Archäologie: Theorien - Methoden - Praxis komplett

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