Geografie und Archäologie

In der Einleitung zu diesem Kapitel ist bereits darauf hingewiesen worden, dass die Prähistorische Archäologie einen außerordentlich großen Abschnitt der Menschheitsgeschichte erforscht und aus diesem Grunde in sehr vielen Regionen der Welt tätig ist. Die Beschreibung von archäologischen Kulturen und anderen Phänomenen aus der Prähistorie kann sich an einer Vielzahl von naturräumlichen Parametern orientieren. Zu diesen gehören häufig der Verlauf von Flüssen, das Vorkommen von Gebirgen, die Verbreitung von bestimmten Böden oder geologischen Einheiten. Der Grund hierfür ist, dass moderne politische Grenzen keine zeitlose Gültigkeit besitzen und sich nach wenigen Jahren durch Reformen in der Verwaltung verändern können. In diesem Rahmen kann sich nicht nur die räumliche Ausdehnung von Landkreisen verändern, ganze Ortschaften können zusammengelegt und somit Verwaltungsbezirke gänzlich aufgelöst werden. Wenn dies passiert, wird die geographische Zuordnung von archäologischen Arbeiten nachträglich erschwert. Bei Naturräumen ist dies weniger der Fall, weil es sich hierbei um Einheiten handelt, die sich am vorkommen von Flüssen sowie der Topographie von Landschaften orientieren. Es ein (unfreiwillig tragisches) Beispiel hierfür ist die Arbeit über „Die ur- und frühgeschichtliche Besiedlung des Kreises Riesa-Großenhain (Reg.-Bez. Dresden)“ von aus dem Jahr 2003. Der Kreis Riesa-Großenhain wurde 2008 aufgelöst, sodass für jüngere Leser*innen unter Umständen zunächst nicht ersichtlich ist, wo das Arbeitsgebiet zu lokalisieren ist. Probleme wie dieses sind bei Arbeiten mit Titeln über „Die Urnenfelderkultur zwischen Schwarzwald und Iller“ oder „Die Besiedlungsgeschichte des Brenz-Kocher-Tals (östliche Schwäbische Alb) vom Neolithikum bis zur Latènezeit“ sowie „Die vorgeschichtliche Besiedlung im südlichen Maindreieck“ eher unwahrscheinlich. Ein weiterer Vorteil bei der Wahl von naturräumlichen Parametern zur Beschreibung von Arbeitsgebieten besteht darin, dass diese weitestgehend neutral sind und somit die Verwendung von umstrittenen politischen Bezeichnungen vermieden werden kann.

GIS in der Archäologie

Der Bezug von archäologischen Kulturen zu räumlichen Gegebenheiten ist seit der Entstehung der Archäologie als Wissenschaft von besonderer Wichtigkeit für uns. Wenn wir von fossilen Menschenfunden, archäologischen Kulturen oder einzelnen Artefaktgattungen sprechen, interessieren wir uns immer für mindestens zwei Dinge: ihr Alter und ihren Fundort. Wer noch einen Schritt weitergeht, fragt sich, warum wir überhaupt bestimmte Befunde oder Funde an den Orten finden, an denen wir sie finden: In welcher Beziehung steht der Raum zu unseren Funden? Quantitative Untersuchungen von Fundplätzen und deren Verhältnis zu geographischen Gegebenheiten gehören spätestens seit den 1990er Jahren zu den Standards in der modernen Archäologie. Insbesondere Geographische Informationssysteme (GIS) werden bei raumbezogenen Fragestellungen angewandt. Mit ihrer Hilfe können neue Informationen über die Rolle des Raums in der Vergangenheit gewonnen werden, z. B. bezüglich der Raumnutzung und der Raumwahrnehmung.

Sichtfeld-Analysen

Sogenannte Sichtfeld- oder auch Viewshed-Analysen sind in den letzten Jahren in der Archäologie sehr häufig geworden. Sie bieten die Möglichkeit, die Sichtverhältnisse zweier Standpunkte zu einander zu ermitteln. Nehmen wir zum Beispiel einen Tempel, der sich abgelegen in einem Gebirge befindet und ein Dorf im nächsten Tal. Mit der Analyse könnte man beispielsweise herausfinden, ob die Dorfbewohner den Tempel sehen könnten oder wie weit man von dem Tempel aus ins Land blicken kann etc. Zur Durchführung solcher Analysen benötigen Archäologen die Längen-, Breiten- und Höhenkoordinaten ihrer Fundplätze und der Umgebung. Die Daten sollten so genau und hochauflösend sein wie nur möglich, um verlässliche Ergebnisse generieren zu können.

Weg-Analysen

Auch für die Least-cost-path-Analysen werden möglichst genaue Geländedaten benötigt. Wenn Archäologen zwei Fundplätze haben und sich fragen, wie die Menschen von dem einen zum anderen gewandert sein könnten und wie lange sie zu Fuß dafür gebraucht hätten, dann wenden sie nach Möglichkeit eine solche Analyse an. Allerdings benötigt man dafür möglichst hochauflösende Karten, die nicht nur Länge und Breite berücksichtigen, sondern auch die Höhenwerte, damit die nicht schnurstracks über die höchsten Punkte eines Gebirges gehen, sondern eben den "einfachsten" Weg. Der von GIS errechnete Weg muss allerdings nicht dem tatsächlichen Weg entsprechen, den die Menschen genommen haben. Wie bei den anderen Analyse-Tools sollte man nicht vergessen, dass auch die Least-cost-path-Analysen auf unterschiedlichen mathematischen Grundlagen basieren und deshalb auch voneinander variieren können. Man erhält demnach einen potentiellen Weg, über den es zu diskutieren gilt.

Cholera und der Ursprung von GIS

Dr. John Snow
Dr. John Snow (1813-1858). Quelle: Wikimedia.commons.
Cholera
Eine Variante der Cholera-Karte von Dr. John Snow aus dem Jahr 1854. Quelle: Wikimedia.commons.

Die Grundidee von GIS stammt bereits aus dem 19. Jahrhundert. Weil es zu dieser Zeit noch keine ausreichende Trennung zwischen Trink- und Abwasser gab, kam es häufig schweren Ausbrüchen von Cholera, bei denen binnen weniger Tage mehrere Hundert oder gar Tausend Menschen starben. Darüber hinaus herrschte in der Stadt ein schrecklicher Gestank. Obwohl immer wieder der Verdacht geäußert worden war, dass die Krankheit etwas mit der Verschmutzung des Trinkwassers durch Fäkalien zu tun haben könnte, gelang es zunächst niemanden, hierfür einen Beweis anzuführen. Die führende Ansicht war, dass Cholera durch giftige Ausdünstungen (sogenannte Miasmen) übertragen wurde.

 

Im Jahr 1854 brach erneut die Cholera aus: 14.000 Menschen starben. Der englische Arzt John Snow (1813-1858) kartierte sämtliche Krankheitsfälle auf einer Karte und verglich die Wohnanschriften der Patienten mit den Standorten der Wasserpumpen, über die man sich zu dieser Zeit das Wasser besorgte. Im Zuge dessen konnte er aufzeigen, dass das verschmutzte Wasser aus einer Pumpe in der Broad Street stammt (Stadtteil Soho). Die meisten Todesfälle wurden in der direkten Umgebung zu der Pumpe registriert. Als Snow daraufhin die Pumpe außer Kraft setzte, ging die Zahl der Todesfälle drastisch zurück. Kurz nach seinem Tod wurde 1858 in London ein Abwassersystem eingerichtet. Die Stadt wurde fortan nie wieder von derartig verheerenden Choleraausbrüchen heimgesucht.

Links

Titel Link
GIS-Programm "gvSIG" gvsig.org
GIS-Programm "Quantum GIS" qgis.org
GIS-Programm "GRASS GIS" grass.osgeo.org
Perry-Castañeda Library Map Collection Perry-Castañeda Library
Free GIS Datenbank FreeGIS.org
Freie GIS Datensets freegisdata.rtwilson.com
ArcGIS Tutorial, Harvard University hcl.harvard.edu
ArcGIS Tutorial, Leicester University Introduction to ArcGIS for Archaeologists
ArcGIS Tutorials digital-geography.com
GRASS GIS Tutorials Grass Gis Tutorials auf tumblr
Raster- und Vektordaten für GIS naturalearthdata.com

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